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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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Vater verstarb früh, und unsere Mutter versorgte uns zwei Brüder allein. Nachdem mein älterer Bruder 1979 in Peking zur Universität ging, waren Mutter und ich allein aufeinander angewiesen. So wurde ich sozusagen schon mit elf, zwölf Jahren der Mann im Haus.
    Im Nordosten ist es im Winter sehr kalt. Damals gab es keine Heizungen, man musste einen Ofen befeuern. Bevor meine Mutter von der Arbeit nach Hause kam, saß ich deshalb immer in dicke Armeemäntel gehüllt zu Hause. Dort herrschte dann normalerweise eine Temperatur von höchstens 5 Grad, und oft waren die Ecken von Frost und Eis überzogen. Das war aber nicht weiter schlimm.
    Ein größeres Problem stellte die Wasserversorgung dar. Damals hatten wir kein fließendes Wasser im Haus, alle holten das Wasser aus dem großen Brunnen im Hof. Unglücklicherweise konnte man das Wasser aus dem Brunnen, der direkt bei uns im Hof lag, nicht trinken. Immerhin waren die nachbarschaftlichen Beziehungen sehr gut, und ich holte das Trinkwasser am Brunnen einer befreundeten Familie, die nur 200 Meter weit weg wohnte. Im Sommer war das kein Problem, nur im Winter wurde es anstrengend, weil ich erst zu Hause einen Kessel Wasser kochen musste, den ich zum Brunnen schleppte, um die Eisschicht auf dem Brunnenwasser zu schmelzen, erst danach konnte ich einige Eimer Wasser heraufziehen, die ich einen nach dem anderen mit der Schulterstange nach Hause trug. Dort kam das Wasser in ein großes Fass. Das musste ich zweimal pro Woche machen, ohne Unterbrechung. Beim Wasserholen sang ich oft vor mich hin, um mich selbst aufzumuntern. Wenn ich jetzt, nach vielen Jahren, an den zwölfjährigen Jungen zurückdenke, kann ich mir, auch wenn ich jetzt viel größer und stärker bin, schon nicht mehr vorstellen, dass ich damals so viel Wasser geschleppt habe.
    Fernsehen und Frühlingsfest
    In der Arbeitseinheit eines Freundes sah ich Anfang der achtziger Jahre zum ersten Mal ein Fernsehgerät. Der 14 Zoll große Schwarzweißfernseher war in einem mit Schlössern gesicherten Büroschrank verwahrt. Dieser einfache Fernseher war vielleicht nichts Besonderes, aber im Vergleich zu den Büchern, die wir kleinen Menschen besaßen, riesig und staunenswert.
    Der Film, den wir uns damals anschauten, hieß »Jie Zhenguo«, ein alter Film, den wir überhaupt nicht verstanden, aber das schadete nichts, meine Begeisterung von damals ist mir noch gut im Gedächtnis.
    Meine erste Neujahrsgala im Fernsehen verfolgte ich bei einem Nachbarn, bei dem wir uns ab und zu aufhielten, das war nichts Außergewöhnliches. Dieser Nachbar war sehr modern, er hatte seinen Schwarzweißfernseher mit einer Vergrößerungsblende ausgestattet. Das sah sehr imposant aus, und keiner kam auf die Idee, das verzerrte Bild zu bemängeln.
    Den größten Eindruck hinterließen auf mich an diesem Abend die Lieder »Mein chinesisches Herz« von Zhang Mingmin und Ma Jis »Zigaretten der Marke Universum«. Noch ein halbes Jahr später sang ich beim Wasserholen ständig »Mein chinesisches Herz«, und mich beschäftigten Fragen wie »Wie sieht eigentlich sogenannte ›westliche Kleidung‹ aus?«, »Was ist Hongkong für ein Ort?« und »Wie kommt es, dass Leute aus Hongkong zu uns kommen?«. Ich konnte mir damals unmöglich vorstellen, dass ich selbst viele Jahre später zweimal eine solche Neujahrsgala im Fernsehen moderieren sollte. Dennoch war ich dort nur ein vorübergehender Gast, ich bin einfach nicht der Typ, der einem solchen Programm mehr Glanz verleihen könnte.
    »Bai Yansong, komm nach Haus zum Essen!«
    In den achtziger Jahren war das Hausaufgabenpensum der Schulen nicht so hoch wie heute. Soweit ich mich erinnern kann, hatten wir viel Zeit zum Spielen. Unsere Wohnverhältnisse waren zwar gewöhnlich, aber zum Glück war die Umgebung ganz außergewöhnlich. Vor und hinter dem Haus gab es einen etwa 100 Quadratmeter großen Gemüsegarten, und etwas weiter vorn gab es einen riesigen Platz, das war das Paradies unserer Jugend.
    Im Frühjahr grub ich zusammen mit meinem Onkel und meiner Großmutter die Erde im Gemüsegarten um, und wir pflanzten Bohnen, Gurken, Auberginen und Chili an, die wir im Sommer ernteten, gerade genug für eine Familie zum Essen und außerdem garantiert frei von Giftstoffen.
    Der große Platz diente meinen Mitschülern und mir als Sportplatz. Nach Schulschluss saßen wir nur selten zu Hause, wir trafen uns ständig auf dem Platz zum Spielen, wahrscheinlich stammen daher meine Geschicklichkeit im Fußball

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