Sind wir nun gluecklich
hätte es auch ganz bleiben lassen können.
Die Jahresfeier mutierte zu nichts weiter als einer mehr dieser typischen Feiern von Staatsfirmen oder -organen, bei denen die Chefs mit ernsten Mienen auf dem Podest sitzen und das Fußvolk unten applaudieren darf. Fragen wurden vorab hinter den Kulissen diskutiert, erst sorgfältig abgewogen und grundsätzlich nur von der Rednertribüne aus gestellt. In stillschweigendem Einverständnis nahmen alle wieder die längst abgelegt geglaubte Gewohnheit auf, bloß niemandem mit der eigenen Wortwahl auf die Füße zu treten und es jedem recht zu machen. Obwohl ich ursprünglich zu den Machern und regelmäßigen Teilnehmern der Jahresfeiern gehörte, findet sie inzwischen seit vielen Jahren ohne mich statt. Ich habe kein Interesse daran, bei einer so gesetzten und langweiligen Veranstaltung sentimental zu werden und mit eigenen Augen die graue Asche unseres einstigen Enthusiasmus durch den Saal fliegen zu sehen.
Wenige Tage nach der Jahresfeier 2010 erhielt ich ein kurzes Schreiben von einer treuen alten Weggenossin: »Es war wieder keine Feier wie die von früher!«
Das konnte ich mir denken. Allenthalben spürte ich die depressive Stimmung unter den alteingesessenen Nachrichtenkommentatoren, ihre Trauer darüber, dass unser einstiges kleines Refugium von Freiheit, Gleichheit und Demokratie durch die Attacken auf uns »Missetäter« zu einem Nichts geschrumpft war. Ein jeder erinnert sich mit Wehmut und geht gedankenverloren seinen Weg.
Deprimiert bin ich trotzdem nicht, denn immerhin haben wir einmal diese Tage von Freude und Freiheit miteinander genießen können. Ich versuche die jüngeren Kollegen zu trösten, sage ihnen, dass sie sich nicht grämen sollen. Es geht nicht darum, ob das, was jetzt ist, normal ist oder nicht. Das, was war, war offenbar nicht »normal«, und wir hatten einfach Glück, diese Tage der »Anomalität« erleben zu dürfen. Diese Worte scheinen die deprimierten Kollegen immerhin ein bisschen aufzumuntern.
Nachdem der Sender inzwischen im Zuge der Medienreform wieder an Fahrt gewonnen hat, fühle ich mich versucht, diese unvergesslichen Jahresfeiern vielleicht doch wieder ins Leben zu rufen. In meinen Ohren hallen die Rufe der Senderchefs wider: »Mehr Enthusiasmus, Leute!« Wer weiß, ob nicht die Wiederbelebung dieser ganz im Geist der Freiheit und der Kreativität stehenden Jahresfeiern sowohl das Lachen hinter den Kulissen als auch den Enthusiasmus und die Kreativität auf den Bildschirm zurückzaubern könnte.
Ein Feuer im Winter
Am Abend des Laternenfests 4 2009 brach in einem Nebengebäude des CCTV-Neubaus ein Großbrand aus. Während die Flammen den Himmel erleuchteten, war ich im Taxi nur 30 Meter davon entfernt auf der gegenüberliegenden Straßenseite eingekeilt. Es ging überhaupt nicht mehr vorwärts, und ich war gezwungen, von meinem Standpunkt aus die immer weiter um sich greifenden Flammen zu betrachten. Natürlich beobachtete ich auch das Mienenspiel der umstehenden Menschen.
Da gerade Laternenfest war, gab es ein Fest für die Mitarbeiter der Sendung »Oriental Horizon«, die ehemals »Children of the Orient« hieß. Dieses Treffen war für mich als Mann des Fernsehens eines der ersten und wichtigsten geworden, ein Ort, an dem sich Fernsehjournalisten von überall her zum Austausch von Ideen trafen. Von daher hatten wir alle ein sehr vertrautes Verhältnis miteinander. Wenn man zudem bedenkt, wie sehr jeder von uns auf seine Weise mit dem Verlust jeglicher Begeisterungsfähigkeit in der Realität unzufrieden war, bedeutete dieses Treffen für uns ein wichtiges Forum der Inspiration.
Kurz vor acht hatte ich schweren Herzens vorzeitig aufbrechen müssen, um die Sendung »Nachrichten 1+1« zu moderieren. Durch diesen verfrühten Aufbruch wurde ich zum Zeugen des Großbrands.
Kurz darauf war ich also im Taxi unterwegs auf der Verbindungsstraße zwischen der dritten östlichen und der vierten Ringstraße zum neuen Sendegebäude, als wir plötzlich nicht weiterfahren konnten. Die Straße war voller Menschen, die mit einem befremdlichen Gesichtsausdruck in dieselbe Richtung starrten. Einen kurzen Augenblick lang hatte ich angenommen, sie seien frühzeitig auf die Straßen gegangen, um sich den Anblick des perfektesten Vollmonds im ganzen Jahr nicht entgehen zu lassen. Doch ich erkannte schnell, dass es sich anders verhielt, denn deutlich lag der Glanz des Feuers auf ihren aufgeregten Gesichtern.
Ich schaute nach links und war
Weitere Kostenlose Bücher