Sind wir nun gluecklich
fassungslos. Die Flammen schnellten an der Südseite des Seitengebäudes immer weiter in die Höhe und wurden dabei von lautem Krachen begleitet.
Ich war mit dem neuen Sendegebäude recht gut vertraut, hatte ich doch schon während der Olympischen Spiele von einem Studio innerhalb dieses Gebäudekomplexes zwanzig Tage lang live berichtet. Unser Team gehörte zu den wenigen Mitarbeitern, die bereits in dem neuen Gebäude arbeiten durften.
Bei dem in Flammen stehenden Gebäude daneben handelte es sich um ein Hotel, das kurz vor der Eröffnung stand, ähnlich dem Media-Hotel neben dem alten Sendegebäude. Außerdem gab es darin noch ein Theater, in dem wahrscheinlich in Zukunft einige Programme des Senders produziert und aufgezeichnet werden sollten. Doch das Feuer durchkreuzte diese Pläne.
Es dauerte eine Weile, bis wir aus dem dichten Verkehr heraus waren, dann rief ich sofort beim zentralen Nachrichtendirektor Liang Xiaotao an. Ich schilderte ihm die Situation des Brands und bot an, darüber zu berichten, doch er sagte mir, dass sie bereits einen Reporter losgeschickt hätten, der umfassend berichtete.
Ich selbst war extrem nervös, nicht nur wegen des Feuers, sondern weil wir um 22.00 Uhr mit »Nachrichten 1+1« auf Sendung sein sollten. Wenn ich weiterhin im Stau stecken blieb, würde ich das Studio kaum erreichen können, bevor dort die Lichter angingen.
In meiner immer brenzliger werdenden Situation erreichte ich den Tian’anmen-Platz ausgerechnet in dem Moment, als die Laternenfestfeier des Zentralkomitees zu Ende ging, und wieder war mein Weg blockiert. In meiner Not bat ich einen Polizisten um Hilfe. Als der hörte, dass ich zur Livesendung ins Studio musste, machte er die Absperrgitter auf, und ich hatte freie Bahn, um aus der Umzingelung herauszukommen. Ich kam im Studio an, da waren es gerade noch vier Minuten bis zum Sendebeginn. So knapp war es bei mir noch nie gewesen.
Ich hatte trotz des Chaos wirklich Glück gehabt. Immerhin war ich Augenzeuge des Großbrands geworden und konnte in der nachfolgenden Sendung »Nachrichten 1+1« die Ereignisse aus erster Hand kommentieren.
Wir waren trotz der schmerzlichen Ereignisse erleichtert. Ich ließ mich sogar noch zu einem Witz mit den Kollegen hinreißen: Ich hatte mir schon überlegt, was ich sagen würde, wenn ich auf Sendung wäre: »Die neuesten Nachrichten unseres Senders, unser Reporter berichtet: Der Sender steht in Flammen …«
Lachen. Es war aber ein ziemlich bitteres Lachen.
Am Ende der Sendung trafen unablässig Kurznachrichten ein. Unter den zahlreichen Solidaritätsbekundungen mit dem Sender gab es eine Ausnahme: »Herr Bai, sind Sie wohlauf?« Da dachte wohl jemand, ich befände mich tatsächlich in dem brennenden Gebäude an der Arbeit. Zum Glück war es bis zum geplanten Umzug noch lange hin, und das brennende Gebäude war auch gar nicht unser zukünftiger Arbeitsplatz, es handelte sich ja um das angrenzende Hotel. Noch mehr Nachrichten trafen ein, zuerst viele besorgte, dann eher sarkastische. Ein typischer Kommentar lautete: »In der Neujahrsnacht zünden sie Xiao Shenyang 5 , zum Laternenfest zünden sie sich die eigene Unterhose an: Man sieht, dass es CCTV nicht an Geld mangeln kann.« Als ich diese Nachrichten erhielt, war ich doch erstaunt: Was den Leuten so alles einfällt!
Mit einem galligen Lachen kamen wir allerdings nicht davon, denn die wirklich bitteren Nachrichten für uns Journalisten ließen nicht lange auf sich warten. Ab sofort durfte im Büro nicht mehr geraucht werden, und auch die Kühlschränke blieben ausgeschaltet. Was uns, vielleicht nicht für jedermann verständlich, am härtesten traf, war die Abschaffung der Mikrowellengeräte: Ständig sind wir beruflich unterwegs, und wenn man ins Büro zurückkommt, will man sich zwischendurch etwas zum Essen aufwärmen. Nach diesem Laternenfest war es damit vorbei. Bis heute gibt es bei uns nur noch kalte Küche.
Schlimmer als das aber waren die persönlichen Folgen. Nach dem Großbrand waren die Mitarbeiter wütend und unzufrieden mit der Leitung des Senders, denn jetzt mussten sie sich neben den anderen Nachteilen zusätzlich gegen Spott und Häme von außen wehren. Damit hatte dieses Feuer die Atmosphäre im Sender noch mehr vergiftet und frustrierte Mitarbeiter hervorgebracht. Es erforderte große Anstrengungen, um die Wogen hier wieder zu glätten.
Durch den Brand hatte sich der Umzug in das neue Gebäude auf unbestimmte Zeit verzögert. Für diejenigen
Weitere Kostenlose Bücher