Sind wir nun gluecklich
andere Mensch. Was Sie gesehen haben, war das Darbietungsprogramm zu unserem alljährlichen Jahresabschlussfest, bei dem wir uns von unserer kreativen Seite zeigen. Ich denke immer wieder gern an diese Zeit zurück. Seit ›Red Oriental Horizon‹ im Internet heftig von allen Seiten attackiert wurde, gibt es diese Jahresfeier in ihrer Atmosphäre von Gleichheit und Kreativität nicht mehr. Damit scheint auch die kreative Kraft dahin. Ich finde das sehr bedauernswert.«
Meine Antwort war ehrlich gemeint. Die Frage hatte in mir zum wiederholten Mal Erinnerungen an die Zeiten geweckt, als wir alle noch voller Enthusiasmus waren.
Die bei den Außenstehenden in die Kritik geratene Jahresfeier war hinter den Kulissen ein Stück kultureller Avantgarde gewesen, die das Besondere des brillanten Moderatorenteams von CCTV ausmachte, ein Ausdruck von Kreativität, Freiheit und Demokratie, der unsere Augen bei der Erinnerung daran zum Leuchten brachte.
Die Ursprünge hatten mit dem Nachrichtenprogramm »Oriental Horizon« zu tun. Als im Sommer 1993 zur Feier von hundert Tagen »Oriental Horizon« das Medienzentrum eine Preisverleihung ausrichtete, war das die erste Gelegenheit, bei der dem Team, das aus gerade einmal knapp über zwanzigjährigen Pionieren bestand, öffentliche Anerkennung zuteilwurde. Für die ersten hundert Tage der Sendung hatte es unaufhörlich Lob geregnet, was den damaligen Intendanten Yang Weiguang so freute, dass er es sich nicht nehmen ließ, nicht nur den Abteilungsleiter persönlich einzuladen, sondern noch Leute in sein Büro schickte, um von dort ein paar besondere Geschenke holen zu lassen, die er dem Team von »Oriental Horizon« als Auszeichnung überreichte.
Und am Ende des Jahres wurde offiziell besagte Jahresfeier eingeführt. Die offene und freie Atmosphäre in unserer Sparte »Kommentar« trug zum besonderen Profil dieser Jahresfeier bei: Die Leiter feierten gemeinsam mit den einfachen Angestellten. Es gehörte zu den Geboten der Feier, dass sich die Senderleitung einige Attacken gefallen lassen musste und sich hier einmal ganz den Angestellten unterordnete, Sticheleien, Streiche und Satire eingeschlossen. Während der ersten Jahresfeier legte sich einer unserer oberen Chefs, Sun Yusheng, aus freien Stücken bäuchlings auf den Boden, um sich einen Luftballon-Werfwettkampf mit den Angestellten zu liefern. Dergleichen »Folterspiele« für die Chefs wurden zu einer der Traditionen dieser Feiern.
Die Jahresfeier zu organisieren machte viel Arbeit. Jedes Jahr, sobald der Termin näher rückte, versammelte sich die Elite der Nachrichtenkommentatoren zu mehreren Organisationstreffen, in denen sie das jeweilige Motto festlegte und die thematische Ausrichtung der zahlreichen Darbietungen. Anschließend wurde dann ein Planungs- und Organisationsstab eingeteilt. Schon lange vor dem eigentlichen Termin fieberte die gesamte Abteilung ungeduldig der Feier entgegen und überlegte sich, wie sie an diesem Tag all ihrer Unzufriedenheit mit den Chefs Luft machen würde (die sich darüber nicht beschweren durften). Sehr beliebt war die Feier auch deshalb, weil jede besonders gelungene und originelle Darbietung Gesprächsstoff für das ganze folgende Jahr lieferte. Das befeuerte nämlich den Ideenreichtum umso mehr. Am Ende waren auch die einfachen Mitarbeiter nicht mehr vor den Streichen der Kollegen sicher.
In einem Jahr zum Beispiel fand die Feier in einem Vorort von Peking statt. In einer ziemlich unbelebten Straße, die die Gäste aber in jedem Fall mit ihren Autos passieren mussten, hatte unser Organisationsteam ein Kontrollhäuschen errichtet, an dessen Wänden mehrere versteckte Kameras installiert waren. Dort postierten wir einen Neuling der Abteilung, der den anderen noch unbekannt war, in einer geliehenen Polizeiuniform, der jedes passierende Fahrzeug auf dem Weg zur Jahresfeier kontrollierte. Je hochrangiger die Person im Auto, desto strenger war die Kontrolle, und desto mehr Schwierigkeiten machte der vermeintliche Ordnungshüter. So ließ er beispielsweise Shui Junyi persönlich die Nummer seines Motors abschreiben, und die Wagen der Direktoren Chen Ha und Guan Haiwing wurden gleich beschlagnahmt. Jeder der Betroffenen versuchte auf seine Weise, mit der Situation umzugehen, der eine bemühte sich, über einen guten Bekannten bei der Polizei etwas auszurichten, der andere fing an zu streiten, und wieder andere, wie Shui Junyi, fügten sich in ihr Schicksal und waren duldsam kooperativ.
Und
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