Sind wir nun gluecklich
Modernisierung?
Das Duo Tat Ming Pair
Ich besitze alle CDs von Tat Ming Pair und auch die gesamte Kollektion ihrer Musikkassetten. Aber es gibt nur eine einzige Kassette darunter, mit der ich wirklich schicksalhaft verbunden bin. Deshalb bewahre ich sie auch bis heute auf.
Es ist ein Album in kantonesischer Sprache und außerdem die erste original aus Hongkong nach China importierte Aufnahme. Tat Ming Pair waren in den achtziger und neunziger Jahren das heißeste Popduo Hongkongs. Für mich gibt es bis heute in der ganzen chinesischen Musikwelt keine bessere Popgruppe als Tat Ming, keine andere kann ihr auch nur halbwegs das Wasser reichen. Und das ist nicht einfach das irrationale Urteil eines eingefleischten Fans. Aber man kann natürlich anderer Meinung sein, über Geschmack lässt sich streiten.
Als ich 1989 nach Abschluss des Studiums in meinen Heimatort zurückgekehrt war, blieb mir noch ein bisschen Zeit auf dem Weg zu einem arbeitenden Mitglied der Gesellschaft, es war der letzte Sommer meines Studentendaseins. Es war aber nicht nur für mich, sondern für das ganze Land eine besondere Zeit. Diese dramatische Zeit erfüllte mich mit einem Gefühl unglaublicher Verlorenheit. Zum Glück hatte ich damals diese Sonderedition von Tat Ming Pair auf Kassette.
Warum verbinde ich diese Zeit so sehr mit diesem Duo? Ursprünglich begann ich sie nur zu hören, weil Cui Jians »Rock ’n’ Roll des Neuen Langen Marschs« zu lärmend war, das konnte ich den Nachbarn nicht zumuten. Obwohl, ganz so war es auch wieder nicht. In den vergangenen Monaten hatte der »Rock ’n’ Roll des Neuen Langen Marschs« eine große Resonanz unter uns Studenten erfahren und war zu unserem Song geworden. Aber jetzt hatten sich meine Weggefährten in alle Winde zerstreut, und ich war in meine kleine Stadt in der Steppe des Nordens zurückgekehrt, um dort meinen letzten Studentensommer allein zu verbringen – hier weiter unsere Rockmusik zu hören wäre allzu einsam und auch zu gefährlich gewesen. Da erschien es mir doch passender, Lieder auf Kantonesisch zu hören, die die anderen Leute ohnehin nicht verstehen konnten. Aber selbst das ist nicht mehr als eine elegante Ausrede. Der wahre Grund war wohl, dass die Unruhe, die in diesen Liedern verborgen lag, ganz exakt die Stimmung traf, in der mich jetzt befand, auf der Schwelle zu einer noch ungewissen Zukunft.
Die Lieder waren voll von diesem Gefühl der Ungewissheit. Man sang »Kiss me goodbye« und fragte gleichzeitig: »Liebst du mich noch?« Die Rückgabe Hongkongs 1997 lag in nicht mehr allzu weiter Ferne, da lasen sich Liedtexte wie der von »Weltuntergangsstimmung« wie ein Bekenntnis. »Wird diese prächtige Metropole bis dahin noch leuchten?«, fragt der Text, und der Titel des Lieds heißt entsprechend »Heute Nacht ist der Himmel voller Sterne«. Dann gibt es noch das großartige Lied »Tagebuch eines Steins«, das seine Idee wohl dem Roman Der Traum der roten Kammer verdankt, jedoch ganz in der Realität spielt: »Winzige Kalkulationen, aber die Unterschiede sind riesig …« Oder das allegorische »Zehn jugendliche Brandstifter« – ein Großbrand, viele fliehen in letzter Minute, ein Mutiger stürzt sich zuletzt in die Flammen …
Es war ein glücklicher Zufall, dass diese Lieder, die sich auf Hongkongs Rückgabe an China bezogen, so vollkommen zu der Stimmung eines 21-jährigen Hochschulabsolventen in diesem besonderen Frühsommer passten. Ich nehme an, dass es in jenen Tagen nicht wenige ähnlich einsame junge Menschen wie mich gab, die Tat Ming Pair hörten und sich ratlos fragten, ob der Glanz dieses prächtigen Zeitalters überdauern würde.
Zwanzig Jahre später auf einer schicken Party, ich bewegte mich wie immer recht unsicher auf dem roten Teppich, traf ich zum ersten Mal den Hongkonger Kritiker Leung Mantao. Wir fühlten uns auf dem rauschenden Fest unter all den herausgeputzten Damen und der noblen Bewirtung wie Außenseiter. Wir kamen ins Gespräch und unterhielten uns über die damalige Zeit, über Tat Ming Pair und ihr Lied »Geschichte des Steins«. Leung Mantao, der ein Mitglied der Performance-Gruppe »Zuni Icosahedron« war, von denen der Text zu »Geschichte des Steins« stammte, machte große Augen, als er mich reden hörte. Vor zwanzig Jahren war er neunzehn und wohnte im heißen Süden, ratlos angesichts der Zukunft Hongkongs und seiner eigenen; und ich, 21, war im hohen Norden Chinas und hörte Tat Ming Pair, nicht weniger ratlos als er. Und
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