Sind wir nun gluecklich
Seiten der Taiwanstraße eine gemeinsame Jugenderinnerung.
Dieses Jubiläumskonzert vereinte Sänger von Yang Xian bis Hou Dejian, von Cai Qin bis Fan Yueyun und Hu Defu, Ma Taojun oder Li Jianfu. Nach einem Abstand von dreißig Jahren sangen sie noch einmal viele bekannte Melodien wie »Die kleinen Straßen des Dorfs«, »Schöne Insel«, »Nachfahren des Drachen«, »Wenn«, »Traumfelder«, »Ich habe vergessen, wer ich bin« und »Der Olivenbaum«, jeweils gesungen von ihrem ursprünglichen Interpreten und so bewegend wie nie zuvor, denn wir waren einen langen Weg miteinander gegangen, Sänger und Zuhörer – und alle nicht mehr jung. Erst beim Ansehen dieses Konzertmitschnitts wissen wir heute, dass die ursprüngliche Textzeile »Von allen Seiten umzingelt sind die Schwerter der Fremden« aus dem Lied »Die Nachfahren des Drachen« auf Druck des damaligen taiwanesischen Propagandaministers Song Chuyu, der diplomatische Schwierigkeiten fürchtete, in »Von allen Seiten umzingelt sind die Schwerter der Schwachen« abgeändert werden musste. Außerdem wurde bei diesem Anlass des verstorbenen Liang Hongzhi gedacht. Auf der Bühne und im Publikum wirkte ansonsten alles, als hätte man die Zeit um dreißig Jahre zurückgedreht.
Das Kostbarste jedoch waren immer noch diese unverfälschten Volksweisen. Jedes Zeitalter hat seine Probleme und Irritationen genau wie seine Freuden und seinen Stolz. Und jedes Zeitalter hat vermutlich auch seine schmutzigen Seiten; warum aber hört man aus Volksliedern nur Reinheit heraus? Vielleicht sollte es uns mit Stolz erfüllen, dass wir diese Lieder als Begleiter unserer Jugend hatten.
Als ich die DVD Yu Dan empfohlen hatte, bekam ich am nächsten Tag eine Nachricht von ihm; er habe beim Zusehen weinen müssen.
Ich und meine alten Kumpel schauten uns das Konzert bei einer Zusammenkunft bei mir zu Hause gemeinsam an. Als kurz vor Schluss Cai Qin, unterstützt vom Publikum, Teresa Tengs »So wie deine Zärtlichkeit« sang, fielen wir alle mit ein und sangen, zu Tränen gerührt, im Chor …
Diese Rührung haben wir uns bewahrt. Wir alle wissen, dass die Stimmen der Sänger, wenn sie weitere dreißig Jahre später noch einmal zusammenkommen, nicht mehr so voll und klar sein werden, weil sie alt geworden sind. Auch wir, die Zuhörer, werden alt geworden sein. Den Jugendlichen von heute werden diese Lieder vermutlich nichts mehr sagen, für unsere beiden Generationen aber werden sie vielleicht zu einem gemeinsamen Code werden, der uns verbindet und die vergangenen Zeiten aus dem Schlaf erwecken kann.
Am Tag des Jubiläumskonzerts hatten sich außerhalb des überfüllten Theaters in Taipei Abertausende Zuhörer versammelt. In Wahrheit waren es seither noch unzählige mehr, die zu Zuhörern wurden, die niemals ihren Platz verlassen werden und noch ewig beim Zuhören weinen müssen.
Nachdem ich einmal mit diesen Themen angefangen habe, fällt es mir schwer, ein Ende zu finden. Wenn ich über all das schreibe, lasse ich mein Leben Schritt für Schritt Revue passieren. Die Zeit flieht dahin, und unterwegs verblassen viele Erinnerungen, doch wenn ich diesen schönen Dingen, die Auge und Ohr verwöhnen, wiederbegegne, mag die damit verbundene Leidenschaft schon weit weg sein, doch je weiter weg, umso deutlicher ist sie. Außer dem Gefühl, sich schwer davon lösen zu können, gibt es natürlich auch Bedauern darüber, dass es noch so viele andere schöne Kunstwerke gibt, die ich oben nicht erwähnt habe, manche davon sind einfach zu persönlich. Zum Beispiel meine Bewunderung für den Film »Ein ganz normaler Tag« mit Michael Douglas, den wahrscheinlich viele nicht kennen, oder »Leaving Las Vegas«, einer meiner persönlichen Favoriten. Dann habe ich auf einige Titel verzichtet, weil darüber hierzulande schon so viel geschrieben wurde, wie Yu Huas Roman Chronik eines Bluthändlers oder Liu Hengs Das glückliche Leben des geschwätzigen Zhang Damin , beides Bücher, die einmal sehr wichtig für mich waren. Daher sind diese Glossen nicht umfassend, sie sind nur ein kleiner Ausschnitt aus meinen Erinnerungen, in denen sich noch so manches findet, was mir kostbar ist.
Es liegt noch viel Leben vor uns, und wahrscheinlich werden wir noch viele Tage des Leids zu ertragen haben, doch wir wissen auch, dass auf unserem Weg noch viel Schönes mit Klang und Bildern auf uns wartet.
Ich höre die Leute oft sagen: »Es ist so schade, dass ich nie dazu komme, all die schönen Dinge des Lebens zu
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