Sind wir nun gluecklich
Lebensräumen, dank deren das Dasein nicht allein eine beschwerliche Reise ist.
Und dann meine Freunde, sicher, sie sind ein wichtiger Antrieb für mich und geben meinem Leben Sinn. Viele sind für mich wie Brüder und Schwestern, wir kümmern uns umeinander und begleiten uns beim Älterwerden. Ihnen gegenüber brauche ich oft keine Worte, um mich verständlich zu machen. Ein Freund ist da, wenn man Grund hat, stolz zu sein, wenn man weit unter seinen Möglichkeiten bleibt oder versagt hat. Wie könnte ich diese freundschaftlichen Gefühle in das Korsett weniger Zeilen pressen? Über gute Freunde kann man nur mit dem Herzen schreiben, mit Zeit, mit dem ganzen Leben.
Menschen machen den Unterschied, Menschen bringen wahre Freude und wahren Kummer. Wenn es eine Arbeit gibt, die man im Leben nicht aufgeben kann, dann ist es, Mensch zu sein, immer und bedingungslos. Vielleicht bin ich in einigen Jahrzehnten schon einer dieser liebenswerten Alten geworden. Heute, wo ich beschreibe, wie andere mich geprägt haben, frage ich mich, ob und wie ich wohl andere präge.
44 Haizi (mit bürgerlichem Namen Zha Haisheng, 1964–1989) war eine Ikone der jungen Lyrik der achtziger Jahre. Er beging 1989 Selbstmord.
45 Ding Cong (auch: Xiao Ding, 1916–2009) war ein beliebter Illustrator und Comiczeichner.
46 Ji Xianlin (1911–2009) war ein Linguist und Historiker.
Epilog – Morgen beginne ich zu glauben
Mit einem Wimpernschlag sind schon mehr als zehn Jahre des zweiten Jahrtausends vergangen.
Einige unserer Weggefährten haben uns verlassen, andere sind dazugekommen, die meisten gehen nach wie vor ihren Weg. Manche sind mit ihren Erwartungen gewachsen, andere sind nur mit den Jahren alt geworden. Innerhalb einer Dekade kann sich vieles ändern.
Wenn ich heute mein Buch In Freud und Leid aus dem Jahr 2000 aufschlage, finde ich im Nachwort folgende Worte, welche die damalige Situation wie auch die Zukunft betreffen:
»Eigentlich müsste ich in zehn Jahren ein ähnliches Buch vorlegen, vielleicht unter dem Titel Weiterhin in Freud und Leid . Ich bin sicher, dass dieses Buch noch schneidender, tabuloser, noch freier atmen wird und die Freude darin einen größeren Raum einnehmen wird als das Leid. Ich hoffe wirklich, dass in zehn Jahren, wenn ich die vierzig überschritten haben werde, viele Probleme der heutigen Zeit überwunden sein werden. Aber die Zeit hält sich, wie man weiß, nicht an vorgefertigte Muster. Es ist vielleicht doch ein wenig zu anmaßend, heute vorhersagen zu wollen, was in zehn Jahren sein wird …«
Das schrieb ich, als ich gerade in das zweite Millennium hineinschlitterte. Und wie sehe ich das heute?
In dem Buch, das Sie in Händen halten, ist im Titel schon nicht mehr von »Freud und Leid« die Rede, sondern von »Glück«. Darüber zu sprechen ist ein Fortschritt; es aber zu realisieren führt in ein Dilemma. Glück ist viel schwieriger zu definieren als Freude und Leid. Freude und Leid dauern an, aber das Glück liegt wahrhaftig noch in weiter Ferne. Ganz zu schweigen von einem weiteren Begriff, über den man ein Buch schreiben könnte, der aber genauso schwer zu fassen ist: »Glaube«.
Vor zehn Jahren erhoffte ich mir, dass meine Worte nun einen schneidenderen, tabuloseren und freieren Geist atmen würden. Wenn das heute tatsächlich der Fall ist, liegt das weniger an den veränderten Rahmenbedingungen als daran, dass ich mutiger geworden bin. Doch die Zielsetzung hat Bestand, auch für die nächsten zehn Jahre. Ein bisschen mehr Schärfe scheint in der chinesischen Gesellschaft ja gerade sehr populär.
Vor zehn Jahren hoffte ich, unsereins würde mit über vierzig selbstbewusster werden, doch man möge mir verzeihen: Ich habe es nicht geschafft. Ich habe es auch nicht hinbekommen zu ernten, ohne zu arbeiten, und noch weniger, in vielen Angelegenheiten nicht klein beizugeben. Es gibt wahrscheinlich einige Phänomene, die ich heute noch viel weniger verstehe als vor zehn Jahren. In meinem ersten Buch erkenne ich jetzt zum Beispiel meinen damaligen Optimismus, und bin mir nicht sicher, ob meine Zuversicht im Vergleich zu damals nicht eher abgenommen hat. Vor zehn Jahren glaubte ich an die Zukunft; aber heute weiß ich nicht, ob ich meine in Unsicherheit getauchte Feder wirklich noch einen Satz wie »Ich glaube an die Zukunft« schreiben lassen kann.
Womöglich ist dieser geringere Optimismus ein Zeichen von Reife. Wenn das so sein sollte, dann ist mir der Reifeprozess lieber als der
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