Sind wir nun gluecklich
für mich unvergleichlich.
Am 15. Juli 2005 hörte ich überraschend die Nachricht, dass Kleiber zwei Tage zuvor verstorben war, also am 13. Juli, einem für Chinesen schwer zu vergessenden Datum, weil es ihnen die Entscheidung für die Austragung der Olympischen Spiele gebracht hat.
Ich fühlte mich für einen Augenblick, als ob alle Geräusche um mich herum versiegten, die Welt war unglaublich still geworden. Ein einziges Mal zuvor hatte ich dieses Gefühl schon einmal erlebt, und zwar 1994, als ich erfuhr, dass Maradona von der Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft disqualifiziert worden war. Diese beiden Nachrichten hatten in der Tat etwas gemeinsam; sie standen für das Ende von etwas Wunderbarem, das fortan nur noch in der Erinnerung existierte.
Wenn man einen Musiker verehrt hat, so bleibt von ihm immerhin die Musik, die mich weiterhin begleitet. Doch die Geschichte hat noch einen wundersamen Epilog. Eines Tages unterhielt ich mich mit dem Musikkritiker Liu Xuefeng, der mir erzählte, dass es in Europa Leute gibt, die den Tod Kleibers anzweifeln, denn niemand habe seine sterblichen Überreste gesehen oder seiner Beerdigung beigewohnt. Womöglich halte er die Welt bloß mit der Nachricht von seinem Ableben zum Narren und habe auf diese Weise endlich seine Ruhe.
Ich musste lächeln, das würde ihm ähnlich sehen. Ein Jahr später gab mir allerdings Chen Li, ein anderer Musikkritiker, die letzte Liveaufnahme Kleibers vor seinem Tod zu hören und sagte: »Der gute Mann ist wirklich von uns gegangen, es gibt ein Grab und alles.« Aber ich möchte immer noch viel lieber dem anderen Gerücht Glauben schenken. Auf dieser Welt ist alles möglich, warum nicht in seiner Fantasie daran festhalten? Und schließlich lebt er ja wirklich fort, nämlich jedes Mal, wenn ich seine Musik in den CD-Player einlege.
Nun will ich noch auf einen anderen Namen zu sprechen kommen. Ich weiß, dass es für jemanden mittleren Alters entweder zu früh oder zu spät ist, über Mozart zu schreiben. Denn Mozart ist entweder das ewige unschuldige Kind oder ein alter Greis, der lächelnd die Welt durchschaut hat. Wie dem auch sei, eines steht fest: Mozart ist bestimmt von Gott gesandt worden, um das Leid des Menschen zu lindern, und Gott ließ ihn zu diesem Zweck in dessen viel zu kurzem Leben wie ein Verrückter unglaublich viele Werke erschaffen. Dann nahm er ihn wieder zu sich, und seither lebt seine Musik gleich der Liebe Gottes unter den Menschen fort.
Ich mag Tschaikowski und Brahms, und in jüngster Zeit mag ich verstärkt Mahler. Das Repertoire dieser großen Komponisten ist durchdrungen von Emotionen, von den gescheiterten Versuchen, sich von seinen Sorgen abzulenken, von Leiden und Kämpfen bis zur Verzweiflung. Es spiegelt alle Gefühle und Sehnsüchte des Menschen, und wenn diese Musik dich einmal trifft, wird sie dich genau deshalb erretten können.
Verliert man sich in der Musik, bringt sie momentane Befreiung. Manchmal muss man diesem Betondickicht entfliehen, und eigentlich sollte man täglich einmal den Kopf recken und den Sternenhimmel betrachten oder den Kopf senken und die Blumen sehen, kleine Fluchten, die einem Befreiungsschlag gleichkommen, damit man nicht von der fauligen Luft erstickt wird.
In einem solchen Moment weiß man, warum es Mozart gab. Vielleicht teilen alle Leute, wenn sie beginnen, Mozart zu lieben, ein bestimmtes Gefühl, dem Mozarts Musik auf wunderbare Weise gleichkommt, unabhängig davon, ob es sich um Klavierkonzerte, Flötenkonzerte, Quartette oder andere Werke handelt, alle haben sie dieses leicht Tänzelnde, und alle haben sie auch etwas von Nieselregen und wolkenverhangenem Himmel, imitieren das Licht der Sonne, blauen Himmel und grüne Wiesen. Es ist daher egal, wie enttäuscht du bist, die Welt, die Mozarts Musik dir erschließt, macht, dass es dir bessergeht, macht dir Mut, weiterzumachen und es noch einmal zu versuchen.
Für mich war das, was Mozart vollbracht hat, nie als starres Werk zu bezeichnen, es ist vielmehr Bewegung, Idee, etwas, was Gott uns durch ihn übermittelt hat. Diese Musik hat nichts Ruppiges, man muss nicht viel darüber nachdenken, es ist nicht offensichtlich, was daran so erhaben ist. Ein Wunderkind kann man ihn eigentlich nicht nennen, schließlich ist er ein Engel, der direkt aus dem Paradies zu uns geschickt wurde. Stell dir vor, wie wunderbar diese Welt wäre, wäre sie so wie die Musik von Mozart! Schade, dass diese Welt nur in seiner Musik möglich
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