Sind wir nun gluecklich
schützen heißt, uns selbst zu schützen.
Eine »große Nation«, in der die Vernunft nicht regiert, ist die Bezeichnung »groß« nicht wert.
Vernunft ist ein schwer zu erreichendes Ziel; bedeutet sie doch, sich beherrschen zu können. Das gilt für jeden Einzelnen genauso wie für eine Regierungspartei und für ein Volk.
Wie kann ich also den Situationen und Menschen in meinem Leben, ob sie mich nun rühren oder wütend machen, vernünftig begegnen? Man kann auf sie schimpfen oder alles hinnehmen, sich einfach zu Tode amüsieren. Auch das ist eine Lebenseinstellung, aber eine gefährliche.
Kann eine Regierungspartei, nachdem sie sich von den Ideen der Revolution verabschiedet hat, einfach mit Vernunft regieren und die Probleme der Gegenwart frei vom überkommenen Gedankengut der Revolution lösen? Kann man sie nicht einfach vernünftig um des positiven Ergebnisses willen handhaben und dadurch die Unannehmlichkeiten und das Chaos im Lösungsprozess mildern? Sollte es nicht möglich sein, ein Land auf Basis der Gesetze zu regieren und dabei jeden vom Eigennutz geleiteten Impuls zu unterdrücken? Kann man nicht allen Stimmen, und seien sie noch so schrill und störend, mit Verständnis begegnen und ihnen aufmerksam zuhören? Zulassen, dass man selbst vom Volk kontrolliert wird? Mit Vernunft sollte das möglich sein.
Dasselbe gilt auch für ein Land als eines unter vielen Ländern dieser Welt. Die Welt war noch nie einfach, es gibt keine Feinde auf immer und auch keine Freunde. In jedem Lächeln verbirgt sich ein Dolch, auf Beleidigungen folgen Blumen. Wenn man sich da nicht zu beherrschen weiß und nicht mit Vernunft agiert, wird die Welt noch chaotischer und unzuverlässiger – und natürlich bleibt auch ein sogenannter Aufstieg zur Großmacht nichts als ein Traum.
Vernunft ist für jedermann unbequem, für den Einzelnen wie für eine Partei oder ein Land, sie bedeutet eben nicht, seinen Gefühlen nachzugeben und zu tun und zu lassen, was man will. Aber gerade in dieser Unbequemlichkeit liegt ihr größter Wert; sie leitet unseren Enthusiasmus und unsere Träume auf einen sicheren Pfad und nimmt ihnen die zerstörerische Kraft.
»Glaube« ist ein großes Wort, so groß, dass es unendlich schwierig ist, den Begriff zu erklären. Dabei äußert er sich in Kleinigkeiten ganz konkret. Wer keinen Glauben im Herzen hat, fühlt sich vollkommen leer, das gilt für den Menschen wie für die Gesellschaft. Glauben haben heißt Ehrerbietung haben, den Antrieb, die Dinge zum Guten zu wenden, bewusst das Böse in Schach zu halten und sich und die Gesellschaft zu verbessern. Ich muss noch einmal betonen, dass Glaube in China nicht unbedingt etwas mit Religion zu tun haben muss, sondern mit Ethik, mit psychischer Hygiene.
Gerade deshalb gehört die Zukunft unserem Glauben. Nach so vielen Jahren der Zerstörung ist es schwer, den Glauben wieder zu etablieren. Er muss neu entstehen wie der Phönix aus der Asche. Und dabei ist noch nicht gesagt, dass man in diesem modernen Zeitalter den Herzen der Menschen und dem Kern unserer Gesellschaft einen solchen Glauben wirklich einpflanzen kann. Man kann es nur geduldig versuchen.
Manche wenden ein, es gäbe in der Realität so viele Probleme und Hindernisse, die Zukunft in einem illusorischen Glauben oder dem Seelenheil zu suchen sei doch nicht mehr als eine Flucht, eine hilflose Kapitulation vor der Wirklichkeit.
Ich denke nicht so. Gerade wegen dieser Probleme brauchen wir eine klare Vorstellung von unserem Glauben. Er ist unsere Waffe gegen sie. Außerdem wollen wir alle wissen, wohin wir gehen.
Der Einzelne hat seinen eigenen Weg. Deshalb rede ich hier lieber nicht über das Individuum, dessen Weg sehr eng mit seinem persönlichen Glück verbunden ist, das nach dem Wohlstand das wichtigste Antriebsmotiv in unserem Leben bleibt. An irgendetwas glaubt man immer, an die Aufrichtigkeit zum Beispiel, an die Freundschaft, daran, aufzuhören, bevor man zu weit geht, an ein »Tue Gutes« oder ein »Von Schlechtem kommt nur Schlechtes« … wir brauchen das, um uns selbst zu beruhigen und andere anzustecken. Ohne Glauben kein Glück. Ich möchte lieber über die Gesellschaft sprechen.
Eine Metapher vergleicht China mit einem Fahrrad: Wenn es konstant mit einer bestimmten Geschwindigkeit geradeaus fährt, bleibt es stabil. Wenn aber eines Tages mit einem Mal die Antriebskraft nachlässt, beginnt es zu schwanken, es verlangsamt das Tempo und fällt schließlich um. Solange man es immer
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