Sind wir nun gluecklich
einem an mich adressierten Schreiben in der Hand vor. Als er mich erblickte, wechselten wir nicht viele Worte, er drückte mir seinen Brief in die Hand und ging. Ich habe keine Ahnung, wie lange er wohl schon dort auf mich gewartet hatte, aber der Brief enthielt ein sehr ernsthaftes Anliegen. Die Fähigkeiten der Medienleute werden einfach ungemein überschätzt. Viele der Schreiben, die man an mich richtet, gleichen Bittbriefen, wie man sie an den Generalsekretär oder an den Premierminister schreibt.
Bei einer der von der Hochschule für Rundfunk und Fernsehen spaßeshalber veranstalteten Vergabe von »Negativpreisen« erhielt ich die Antiauszeichnung »Der am wenigsten verführerische Fernsehmoderator«. Ich war mir nicht sicher, ob diese Ehre nun Lob oder Tadel bedeuten sollte und ob ich mich darüber freuen oder lieber schämen sollte. Ich nehme jedenfalls an, dass meine Frau sich sehr gefreut hat, denn es gibt natürlich jede Menge Leute, die glauben, ein bekannter Nachrichtenmann wie ich lebe ein ausschweifendes Leben mit Wein, Weib und Gesang. Nach der Diskussion um den freizügigen Pekinger Nachtklub »Himmel und Erde« in der Sendung »Nachrichten 1+1« kommentierten die Spötter: »Der tut doch nur so, das glaubt kein Mensch, dass der noch nie im ›Himmel und Erde‹ war.« Tut mir leid, aber da war ich wirklich noch nie.
Wenn die Leute meinen Sohn, als er in die Mittelschule kam, nach seinem Vater fragten, antwortete er immer ausweichend und unbestimmt. Wurde er aber gefragt, ob er so wie sein Vater einmal Nachrichtenmoderator werden wolle, antwortete er immer verächtlich: »Hör auf! So einen Kinderkram mach ich nicht.« In seinen Augen ist ein ordentlicher Beruf einer, in dem man »richtig schuften« muss.
Ich habe mich selbst immer nur als einen einfachen Nachrichtenmann im Fernsehen gesehen. Unser Medienzeitalter bringt es mit sich, dass unser Ruhm künstlich aufgeblasen wird, während wir aber nicht wie Stars oder Berühmtheiten behandelt werden wollen. Leider können wir dem kaum entkommen. Es ist schon genug, dass ich allein von der Klatschpresse abgelichtet werde, aber wenn meine Frau und mein Sohn und ich jedes Mal am Flughafen heimlich fotografiert werden und dann wie eine Kronprinzenfamilie in Klatschzeitschriften erscheinen, dann ist das eine klassische Grenzüberschreitung. Wie kann ein Kind zum Jagdobjekt der Paparazzi werden? Man kann sich endlos darüber empören, aber es führt zu nichts. Kommt Zeit, kommt Rat, kann ich nur hoffen. Die Leute müssen irgendwann zur Vernunft zurückfinden.
Die Frage, die mir am häufigsten gestellt wird, ist: »Welche Person hat Sie am meisten beeinflusst?« Ich gebe darauf schon immer dieselbe Antwort: Wer mich am meisten beeinflusst hat, ist meine Mutter, ohne sie gäbe es mich nicht. Das Buch, das mich am meisten beeinflusst hat, ist das Xinhua-Schriftzeichenwörterbuch, ohne das ich niemals so viele Schriftzeichen kennen würde.
Wenn man im Licht der Öffentlichkeit steht, muss man zuweilen mit einer Biografie leben, die gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. So wurde unter fremder Feder eine Süßkartoffel angeblich zum Ehestifter zwischen mir und meiner Frau, und mein flüssiges Standardchinesisch soll ich auch nur dank ihres Zuredens und ihrer Strenge gelernt haben. Das Ganze klingt so, als wäre bei meiner Werbung um sie ständig nebenbei ein Kassettenrecorder gelaufen und sie hätte alles aufgenommen. Über derlei Geschichten können wir beide nur herzlich lachen: Wenn sie Lust haben, solche Storys über uns zu schreiben, bitte sehr.
Als ich an der Uni eine Vorlesung gab, fragte mich ein Student aus der hintersten Reihe: »Professor Bai, ich bin hier in der letzten Reihe, und Sie sind in der ersten. Wann werde ich es Ihnen gleichtun?« Ich antwortete: »In meinen Augen stehen Sie jetzt erst einmal in der ersten Reihe. Es gibt zahllose Wege, die Sie zu meiner Position führen können, aber ich kann keinen Weg mehr zu Ihrer finden. Ich bin derjenige, der sich grämen sollte.«
Einmal, als wir die Sendung »Persönlichkeiten der Kunst« machten, fragte mich Zhu Jun: »Wie lange willst du eigentlich weitermachen?«
Ich sagte: »Bestimmt so lange, bis das Publikum sich nur schwer von mir trennen kann, dann gehe ich, das habe ich mir schon vorgenommen.«
Yang Lan, der daneben stand, meinte: »Hoffen wir, dass es am Ende nicht umgekehrt wird. Du selbst kannst dir nicht vorstellen zu gehen, aber für das Publikum ist es schon beschlossene
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