Sind wir nun gluecklich
Regel auch an sozialem Status. Alle lieben das Geld, aber seine Grenzen kennen und auf anständige Weise reich werden ist gar nicht so leicht. Mir kommt es merkwürdig vor, wenn ich diese Leute sehe, die immerzu ihre Zeit dazu investieren, Geld zu machen, aber gar keine Zeit finden, um es auszugeben. Wozu also das Ganze? Und wenn man davon ausgehen kann, dass man sein ganzes Leben lang Geld verdienen wird, warum hat man es dann so eilig? Ist der Mensch Herr über sein Verlangen oder sein Sklave?
Während einer Wartepause im Filmstudio kamen mein Kollege Pu Zunxin und ich einmal ins Gespräch und unterhielten uns auch über dieses Thema. Mir gefiel die einfach strukturierte Zusammenfassung der Kriterien, die er dazu fand: Das Geld, das man verdienen muss, muss man ordentlich verdienen. Geld, das man nicht braucht, sollte man auf keinen Fall anstreben. Geld, das man ausgeben muss, soll man ausgeben. Geld, das man nicht ausgeben sollte, behält man.
Das ist zwar sinnvoll, doch die Antwort darauf, was »man« tun oder lassen sollte, hängt natürlich auch von den moralischen Kriterien des Einzelnen und der jeweiligen Situation ab. Zudem sind wir auch von unserem Umfeld abhängig und handeln nicht in allem freiwillig. Wir können ebenso nicht immer und überall sagen, was wir denken. Niemand ist zu hundert Prozent makellos, ich selbst eingeschlossen.
Man trifft immer wieder auf Leute, die vergessen, was sie verlieren, wenn sie etwas gewinnen. Wenn man sich vorab gut überlegt, ob das, was man unbedingt haben will, es wirklich wert ist, würde man in den meisten Fällen wohl auf die Mühe verzichten. Aber wie viele Leute berücksichtigen schon, nur die »Haben«-Seite im Blick, die dadurch bedingte »Soll« -Seite?
Die Psyche ist auch eine Art Prüfung. Die Leute sehen gern den Glorienschein, der Prominente umgibt, ihre Verletzungen bemerken sie nicht. Erst wenn sich solche Menschen dann umbringen oder Drogen nehmen, interessiert man sich kurzfristig für den seelischen Druck, den auch und gerade Berühmtheiten zuweilen aushalten müssen.
Von Zeit zu Zeit nehme ich bewusst Abstand zu diesem Menschen namens Bai Yansong, betrachte ihn, soweit mir das möglich ist, wie einen Fremden und nehme seine Eigenheiten kritisch unter die Lupe, sehe mir an, wie es um sein Verhältnis zur Gesellschaft und den Zuschauern steht. Oder ich denke an das Glück, das ich hatte, als ich bei meinem Eintritt in die Welt des Fernsehens gleich mit der Sendung »Kinder des Ostens« in Kontakt gekommen bin, mit dieser Gruppe von erfolgreichen, mächtigen und zuversichtlichen bekannten Leuten. Für viele, damals auch für mich selbst, war die Tatsache, es bis hierhin geschafft zu haben, der Gipfel des Glücks. Aber erst als ich wirklich ein Teil dieser Gruppe geworden war, begriff ich, dass auch hier jeder sein Päckchen mit sich herumträgt und die günstigen äußeren Lebensumstände nicht zwangsläufig persönliches Wohlbefinden bedingen. Es bewahrheitete sich einmal mehr die schlichte, aber – von Extremen einmal abgesehen – äußerst treffende und eminent nützliche Weisheit, die meine Mutter mir mit auf den Weg gegeben hatte. Sie sagte: »Das Leben ist, ob arm oder reich, hoch oder niedrig, unterm Strich für alle gleich.«
Im Sommer 2010 feierten wir 25 Jahre Schulabschluss. Als während des Banketts die Reihe der Redner an mich kam, sprach ich frei von der Leber weg: Das, was man als »Erfolg« bezeichnet, hat immer seinen Preis und kann mit viel Leid verbunden sei. Das, was auf den ersten Blick nach weniger Fortüne aussieht, bedeutet hingegen nicht selten persönliches Glück und Zufriedenheit. Daher muss man aufpassen, wenn es um die Einschätzung der verschiedenen Lebenssituationen – einschließlich der eigenen – geht. Es ist bestimmt nicht falsch, hier Nachsicht walten zu lassen.
Jeder sollte herausfinden, was er wirklich ist. Ein Prominenter ist zum Beispiel zunächst einmal einfach nur jemand, den ziemlich viele Leute namentlich kennen. Das hat Vor- und Nachteile. Es bedeutet, größeren Verlockungen und stärkerer Kontrolle ausgesetzt zu sein. Wie weit man damit gehen will und welche Opfer man dafür bringen will, hängt davon ab, wo für jeden sein ganz persönlicher Himmel liegt.
Was es heißt, ein verdienter Mann zu sein
Im Frühjahr 2010 gewann ich zusammen mit dem Programm »Nachrichten 1+1« den Fernsehpreis der News Weekly in drei Kategorien. Da wir so viele Preise bekamen, hatte ich zweimal die Gelegenheit zu
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