Sind wir nun gluecklich
Gründe, letztendlich sieht es jedoch so aus: Wenn man groß und mächtig wird, werden die Verflechtungen mit anderen immer enger, man kann sich dem anderen nicht einfach entziehen und muss sich zwangsläufig mit ihm auseinandersetzen. In diesem Zusammenhang erscheinen deine Stärken und Schwächen in den Augen des anderen umso größer, die Zweifel und Sorgen des anderen dienen dann zunehmend strategischen Zwecken und äußern sich im Umgang miteinander in übertriebenem Lob genauso wie in überzogener Kritik.
Es ist zum Beispiel interessant zu sehen, wie sehr das Bild von der chinesischen Gefahr einerseits und das vom chinesischen Zusammenbruch andererseits gleichzeitig beschworen werden.
Wenn sich Chinesen und Ausländer unterhalten, sagen wir gern: »Der schlafende Löwe des Ostens ist erwacht, aber er beißt nicht! Wir entwickeln uns auf friedliche Weise.« Oft genügt das schon, um die Zweifel des Gegenübers zu zerstreuen. Aber manchmal doch nicht ganz, und es kommt die Replik: »Ihr sagt zwar, der Löwe beißt nicht, aber das Problem ist: Jeder weiß, dass ein Löwe von Natur aus gern beißt!« Offensichtlich ist die Vorstellung von der »chinesischen Gefahr« weit verbreitet, und das ist auch durchaus verständlich. Schließlich war ein aufstrebender Staat, der nicht auch aggressiv gewesen wäre, in der Geschichte der Menschheit bislang eher die Ausnahme.
Doch kaum dreht man sich um, hört man einen anderen Ausländer in einer Diskussion oder einem Vortrag behaupten: »Es wird nicht lange dauern, bis China wegen seines politischen Systems, seiner riesigen Bevölkerung, des großen Gefälles zwischen Arm und Reich und zahlreicher anderer Probleme zusammenbricht.«
Man kann sich die Mühe machen, ihm zu erklären, dass das aus diesem und jenem Grund kaum der Fall sein wird. Doch er wird nur überlegen den Kopf schütteln und an seiner Überzeugung festhalten. »Doch, wird es.« Nach den immer wiederkehrenden Prognosen dieser Leute hätte China allerdings schon längst viele Male zusammenbrechen müssen. Schütteln wir daher besser bei Lob am besten genauso den Kopf wie bei Tadel. Lassen wir China, ob heiß, ob kalt, in seiner ganzen Komplexität der Welt gegenüberstehen.
Das ist auch bei längerem Nachdenken das einzig Richtige. Die Leute haben sich daran gewöhnt, dass es zwei Chinas gibt: eines voller Probleme, fragil und von internen Widersprüchen und einer Abschottungspolitik geprägt, und ein starkes, aufstrebendes, das die Kraft besitzt, schlechte mit guten Eigenschaften fortzuspülen, das junge China. Und es wird eine Sache von wenigen Jahrzehnten, vielleicht auch nur einigen Jahren sein, bis dieses China in der Welt genau so wahrgenommen werden wird.
Dass China vom Rest der Welt mal dämonisiert, mal verherrlicht wird, ist nur normal. China ist aber ein komplexes Gebilde; und wer einen genauen Blick hinter Chinas Kulissen werfen will, muss dort wohl ziemlich lange verweilen.
Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass einige Leute unser Land nicht mögen und es immerhin zunehmend solche gibt, die wenigstens die Chinesen mögen. Aber eins mögen sie alle: den chinesischen Renminbi.
Freundschaft ist eine Sache, Profit ist eine andere. In diesem Punkt sind uns unsere ausländischen Freunde überlegen. Wenn es um wirtschaftlichen Profit geht, ist es selbstverständlich, dass wir übertrieben gelobt und überbewertet werden; wenn es um Politik oder Vorurteile geht, ist es ebenso selbstverständlich, dass wir gerügt oder pauschal beschimpft werden.
Es gilt, gelassen zu bleiben gegenüber dieser so unausweichlichen wie schwierigen Situation und weder vor lauter Lob vom Kurs abzukommen noch vor lauter Kritik gar nicht mehr zu wissen, wo es langgeht. Für Chinas Rolle in der Welt ergeben sich momentan ganz neue Fragestellungen. Den richtigen Pfad zu finden, um uns ohne Verrat an uns selbst der Welt anzupassen, ist in der Tat ein wichtiger Prüfstein auf Chinas Weg zu einer großen Nation. Man könnte auch behaupten, es sei ein Teil dessen, was eine große Nation ausmacht.
Bei den nachfolgenden Ausführungen handelt es sich um Ereignisse der vergangenen Jahre, die mehr oder weniger mit diesem Thema zu tun haben. Auf jeden Fall gehören sie zu den Geschehnissen, ohne die unsere jüngste Gegenwart nicht mehr denkbar ist.
Der Umgang mit der »Falun Gong«
Während der Olympischen Spiele von Sydney war ich die ganze Zeit über vor Ort. Ich kam bereits einige Tage vor der Eröffnung an und begann
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