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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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fremden Vorurteile. Viele der Empfindlichkeiten und Tabus, die wir früher kannten, sind heute keine mehr. Was uns ein Dorn im Auge ist, muss heute nicht mehr versteckt und vertuscht werden. Besser, man stellt sich diesen Problemen, und zwar in aller Öffentlichkeit. Das hat gar nichts Alarmierendes. In diesen dreißig Jahren Reformperiode ist nicht nur unsere Wirtschaft gewachsen, sondern auch der Horizont eines jeden Chinesen hat sich erweitert. Wir wissen oder haben schnell gelernt, dass scheinbar komplizierte Dinge zur einfachsten Sache der Welt werden können. Wir haben in diesem Prozess der Desensibilisierung noch viel Arbeit vor uns. Also, frisch ans Werk.

    7 Die sich als religiöse Bewegung auf Basis der chinesischen Qi-Gong-Lehre verstehende »Falun Gong« ist seit 1999 in der Volksrepublik China verboten.

Kapitel 4 – China ist krank
    Die Straßen des abendlichen Pekings waren am 2. Mai 2003 im Vergleich zu dem sonst um diese Zeit üblichen Verkehrslärm und den endlosen Staus erstaunlich frei, der Anblick der leergefegten Straßen war geradezu beängstigend. Ich befand mich auf dem Weg zur Arbeit und parkte meinen Wagen vor dem Xizhi-Tor. Als ich die Fußgängerbrücke überquerte, bot sich mir ein Bild, das ich nie vergessen werde.
    Von der Brücke aus blickte ich nach unten in den Hof eines Wohnhauses. Auf der Wäscheleine hingen zum Trocknen genau zwei Dinge, Unterhosen und Hygienemasken. Wirklich bizarr, dass dort nichts anderes hing. Ich bedauerte, dass ich dort oben auf der Brücke war und weder Camcorder noch Fotoapparat dabeihatte. Dieses Bild hätte ich nur zu gern festgehalten. Nichts hätte die momentane Realität treffender abbilden können als dieser Anblick, Unterhosen und Hygienemasken, ein Gegenstand zur Wahrung des Anstands und einer zur Wahrung des Lebens. Zeichen, die die Menschen inmitten einer ernsten Krise setzten. Es war die Zeit, in der sich das SARS-Virus hemmungslos ausbreitete. Ganz China war krank.
    Wie es anfing: Die seltsame Krankheit von Guangzhou
    Die Geschichte begann für mich bei einem Treffen mit einer alten Studienkollegin, das ein ziemlich mulmiges Gefühl bei mir hinterließ. Wir hatten an jenem Abend im Februar 2003, kurz nach dem chinesischen Neujahrsfest, gerade mit den Livereportagen aus Bagdad durch Shui Junyi begonnen und beobachteten nun, wie weit weg von uns langsam die Rauchschwaden des Krieges aufzogen.
    Zum Abendessen hatte ich zuvor eine ehemalige Kommilitonin zu Gast, die aus dem fernen Xiamen angereist war. Völlig unerwartet brachte sie bei dieser kleinen Zusammenkunft am Esstisch eine ungewöhnliche Bitte vor. Geradezu flehentlich bat sie uns, eine Schachtel Banlangen 8 für sie zu besorgen. Sie käme gerade aus Guangzhou, wo das Heilmittel bereits ausverkauft sei, weil dort eine seltsame Krankheit grassiere. Und nun befürchte sie, dass es auch in Xiamen bald kein Banlangen mehr geben werde, und wolle gewappnet sein.
    Diese Information, dachte ich spontan, sollte man natürlich den Leuten nicht vorenthalten. Schließlich waren wir Medienleute, und es war ein Gebot der Vernunft, baldmöglichst darüber zu berichten. Vielleicht war die allgemeine Feierstimmung zu Neujahr daran schuld, dass seltsamerweise noch nichts von dieser Nachricht an die Öffentlichkeit gedrungen war. Noch dazu würden bei einem Fall von Infektionsgefahr normalerweise sofort administrative Maßnahmen ergriffen, um die Bevölkerung zu schützen. Das SARS 9 -Virus hatte sich, wie wir hinterher erfuhren, in Guangzhou schon seit zwei Monaten ausgebreitet, die Tatsache wurde aber offenbar nach dem Motto »Schlechte Nachrichten verkaufen sich nicht gut« behandelt. Daher wussten selbst wir zu diesem Zeitpunkt nichts. Die Bitte meiner ehemaligen Kommilitonin alarmierte mich. Das klang nicht nach einer Belanglosigkeit.
    Tags darauf erhielt ich »explosives Material« von einem Insider aus Guangzhou. Per Fax kam die Nachricht: »In Guangzhou grassiert eine merkwürdige Vogelgrippe, die ganze Stadt ist in Panik. Wollt ihr nicht darüber berichten?«
    Ich war damals Produzent von »Shikong Lianxian«, einer zehnminütigen Nachrichtensendung, die Teil von »Oriental Horizon« war. Die Suche nach Neuigkeiten gehörte zu unserem Job, und dann noch dieses ungewöhnliche Flehen meiner Bekannten um Banlangen … Eine schnelle Entscheidung musste her. Noch am selben Tag schickte ich die Reporterin Sui Xiaomei mit einem Kamerateam nach Guangzhou, ohne zu ahnen, dass wir damit die »Nummer eins«

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