Sind wir nun gluecklich
ebenfalls mit dem Gedanken, dass es besser war, die Leute zurückzuholen, bevor sie sich selbst mit der Krankheit infizierten. Denn das hätte uns ihnen und ihren Familien gegenüber in arge Bedrängnis gebracht. Letztendlich stand ihre Gesundheit an erster Stelle.
Nach der Ausstrahlung der Sendung produzierte »Focus Interview« noch eine Sendung, für die der damalige Gesundheitsminister Zhang Wenkang zum Thema »SARS« interviewt wurde. In der Sendung betonte er, dass man zwar vor einer Herausforderung stehe, gab sich aber optimistisch, die Situation sei unter Kontrolle und es gebe keinen Grund zur Panik. Ich erfuhr allerdings, dass er sich während des Originalinterviews viel »besorgter« geäußert hatte, seine Aussagen aber als der gegenwärtigen Situation »unangemessen« eingestuft wurden und seine alarmierenden Worte, die auf die Gefahren der Krankheit hinwiesen, daher aus dem Beitrag herausgeschnitten wurden. Dem Sender waren in dieser Sache die Hände gebunden.
Als zwei Monate später Zhang Wenkang als Bauernopfer wegen seiner Erfolglosigkeit in der Bekämpfung von SARS entlassen wurde, scherzten seine Mitarbeiter: Vielleicht hat er sich selbst aus dem Amt befördert und endlich das erreicht, was er ohnehin schon die ganze Zeit wollte … Das war natürlich nur ein Witz.
Nach den Sendungen von »Shikong Lianxian« und »Focus Interview« zu diesem Thema kam die Berichterstattung über SARS zu einem jähen Ende. Die Situation schien sich beruhigt zu haben. SARS schien eine auf die Provinz Guangdong beschränkte regionale Vireninfektion zu sein, die sich nicht weiter ausdehnte. Die Bevölkerung gab sich optimistisch und nicht mehr besorgt, wobei jedoch alle etwas vorsichtiger geworden waren. Außenpolitisch konzentrierte man sich auf die Situation im Irak, wo alle Anzeichen nach Krieg aussahen, und innenpolitisch auf die im März anstehenden Tagungen des Nationalen Volkskongresses und der Politischen Konsultativkonferenz. Diese Tagungen, in denen die neue Führungsriege des Landes bestimmt wurde, standen im Zentrum der Aufmerksamkeit, und der Alltag der Bevölkerung wurde wieder von anderen Gedanken beherrscht. Und diese Zeit nutzte das hochintelligente SARS-Virus, um unbemerkt nach Norden vorzudringen. Sein Ziel war Peking, wo die Eröffnung der beiden wichtigsten Kongresse des Staates bevorstand.
Die Explosion: SARS in Peking
Die Tagung der Politischen Konsultativkonferenz begann am 3. März und die des Nationalen Volkskongresses am 5. März. Das SARS-Virus war schon früher da. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn einer der Delegierten oder Abgeordneten kurz vor der Eröffnung der Kongresse ins Krankenhaus gekommen wäre, um festzustellen, dass er sich unglücklicherweise mit SARS infiziert hatte. Es war ein glücklicher Zufall, dass es nicht dazu kam.
Die beiden großen Tagungen begannen wie geplant, und das wichtige Thema, wer das Volk künftig führen sollte, fesselte die Aufmerksamkeit der Leute. Und kaum dass diese Frage entschieden und die Kongresse beendet waren, begannen quasi wie verabredet die USA, den Irak zu bombardieren. CCTV und die anderen Medien berichteten rund um die Uhr, und die ganze Welt richtete ihr Augenmerk auf den Mittleren Osten. Es war schließlich für Chinesen das erste Mal, dass direkt live von einem beginnenden Krieg berichtet wurde, und es überraschte daher nicht, dass die Leute intensiv verfolgten, was Tausende von Kilometern entfernt geschah, ohne dabei zu bemerken, dass direkt vor unseren Augen ein Krieg drohte, der keinen Rauch entwickelte. Und was noch beängstigender war: Im Irak hatte man es mit sichtbaren Feinden aus Fleisch und Blut zu tun, während der Feind im heimischen Krieg heimlich und schleichend um sich griff, unsichtbar und nicht zu verorten. Es war ein Krieg, in den man ungewollt verwickelt wurde und der das Leben kosten konnte.
Nachdem SARS Peking im Sturm genommen hatte, gab sich das Virus damit nicht zufrieden. Es griff von seiner neuen Ausgangsbasis her auf andere Städte über. Die meisten der Infizierten, die zuerst außerhalb von Peking, in Ningxia, der Inneren Mongolei und Shanxi festgestellt wurden, hatten einen Bezug zu Peking.
Gleichzeitig hatten wir Medienleute ein ungutes Gefühl, uns war der Ernst der Lage längst bewusst. Während wir noch hauptsächlich über den Irak berichteten, flehte ich die Verantwortlichen an: Lasst uns Sendungen über SARS machen, der Irakkrieg ist doch ohnehin so gut wie entschieden, die
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