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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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Lebensmittel aus Shandong oder aus Hebei nach Peking geliefert wurden, Funktionäre auf allen politischen Ebenen betonten, dass die Versorgung gewährleistet sei und die Preise nicht steigen würden. Manche glaubten es, andere zweifelten und zogen zum nächsten Einkauf los, kamen zurück und konnten sich überzeugen, dass in den Nachrichten immer noch von Hilfslieferungen aus allen Provinzen die Rede war. Die Preise waren auch beim nächsten Einkauf nicht gestiegen. So war es mit den Hamsterkäufen im Handumdrehen wieder vorbei – Nachrichtentransparenz war unübersehbar das beste Mittel gegen Panik.
    Gleichwohl trauten sich immer weniger Menschen auf die Straße, ein Betrieb nach dem anderen machte »Ferien«, die Grund- und Mittelschulen stellten den Unterricht ein. Peking war fest im Griff der Krankheit und der Effekt aller Maßnahmen dagegen gering. Auf den Straßen waren kaum mehr Autos zu sehen, sodass man mitten am Tag als Fußgänger völlig unbehelligt über breite Straßen spazieren konnte. All das war genug Grund zur Panik. Horrorszenarien, wie man sie bisher nur aus Filmen kannte, waren mit einem Mal ein verblüffend realer Bestandteil des eigenen Lebens geworden, und man begann, selbst dem Pekinger Verkehrsstau nachzutrauern.
    Den Medien blieb keine Zeit zum Ausruhen, wir waren mehr beschäftigt denn je. Mein Programmteam übernahm die Verantwortung für die Berichterstattung zu SARS, und mit der Inbetriebnahme des 24-Stunden-Nachrichtenkanals verging kein Tag, an dem nicht jemand aus der ersten oder zweiten politischen Führungsriege der Provinzen, Städte und autonomen Regionen des Landes bei uns neue Resolutionen und Maßnahmen verkündete, mit denen man des »Ausnahmezustands« Herr werden wollte. Der Nachrichtenkanal wurde vom Publikum gut aufgenommen, auf welche andere Weise konnte man auch direkter und konkreter informiert werden? Die Zuschauer waren inmitten der allgemeinen Kopflosigkeit begierig auf schnelle und greifbare Informationen. Dank diesem engen Kontakt zwischen den Medien und der Bevölkerung hatten die Leute die wesentlichen Punkte zur Prävention gegen die Epidemie schnell begriffen, und jeder Haushalt wurde zu einer lokalen Kampfzone gegen SARS.
    Ich war einerseits Moderator und führte durch die entsprechenden Programme; andererseits fungierte ich damals auch als Produktionsmanager und garantierte für die Qualität der Sendungen »Shikong Lianxian«, »People in the News« und »China Weekly«. Und nebenbei musste ich die Nerven meiner treuen Mitarbeiter beruhigen.
    Jeden Nachmittag um vier brachten wir die Nachrichten über den aktuellen Stand der Dinge, jeden Tag stieg die Zahl der Erkrankten, bei denen mit Sicherheit das Virus festgestellt worden war, um 100 Prozent. Um die Panik meiner Mitarbeiter ein wenig zu lindern, versuchte ich ein bisschen ablenkend an die Sache heranzugehen. Ich nahm ein Notizbuch und ließ jeden raten, wie die aktuellen Zahlen waren, um zu sehen, wer der Wahrheit an nächsten kam. Während dieser Monate erschien ich immer frühzeitig im Sender, und manchmal verzichtete ich auf den Mundschutz, um einen optimistischen Eindruck auf meine Mitarbeiter zu machen. Meine tatsächliche Besorgtheit hob ich mir für zu Hause auf.
    Als am 1. Mai 2003 zum ersten Mal das Programm »People in the News« auf dem neuen Nachrichtenkanal lief, ließen wir es uns nicht nehmen, am Abend wenigstens eine kleine Feier zum Start der Sendung zu machen. Ich ließ mein Team vier Zeichen schreiben: »Aus Leid entsteht Leben.«
    Richtig, wären dieses Programm und dieser Nachrichtenkanal nicht schon vorher in der Planung gewesen, wären sie vermutlich in diesen Tagen aus der schieren Notwendigkeit heraus geboren worden. Die Menschen blieben zu Hause und setzten darauf, dass die Medien ihrer Aufgabe gerecht wurden und ihnen meldeten, wie die aktuelle Lage war. Je schlimmer die Misere, umso mehr muss der Journalismus über sich hinauswachsen. Denn würden in einer solchen Situation auch noch die Medien schweigen, wäre das wahrhaftig besorgniserregend. Daher war die Parole »Aus Leid entsteht Leben« wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Sie war vor allem auch Verpflichtung.
    CCTV steckte damals selbst in einer Krise, die Fluktuation des Personals war hoch, die Nachrichtenabteilung kam keine Minute zur Ruhe, und Liu Hongbo, einer der Reporter unserer Sendung »Oriental Horizon«, lag bereits SARS-infiziert im Krankenhaus, ein zusätzlicher Grund zur Sorge. Was, wenn die

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