Sind wir nun gluecklich
Krankheit innerhalb unseres Stabs ausbrach, wie konnten wir es uns leisten, uns allesamt unter Quarantäne zu stellen? Die Nachrichten konnten nicht eingestellt werden, aber ohne Nachrichtensprecher konnten wir nicht arbeiten.
Einmal traf ich zufällig den Direktor der Nachrichtenzentrale, Liu Ting, und sagte zu ihm, ein bisschen scherzhaft gemeint: »Keine Bange, wir haben die Sendung ›Xinwen Lianbo‹ schon im Kasten.« Keiner von uns lachte. Wir wussten schließlich: Wenn es wirklich bis zum Äußersten käme, sähen wir alt aus.
Aber wirklich Zeit für Panik und Sorge hatten wir sowieso nicht. Die sonst so oft gescholtenen Medien verdienten sich in dieser Zeit den Respekt der Bevölkerung, die sich auf sie angewiesen fühlte. Die Reporter mussten trotz des eingeschränkten Handlungsspielraums ständig unterwegs sein und sich gut überlegen, wo sie hingingen und wo es Neuigkeiten gab, und machten einen gefährlichen Job.
Die ersten zehn Tage waren die schwierigsten. Der Wendepunkt war endlich erreicht, als die Zahl der Infizierten, die täglich neu hinzukamen, allmählich auf unter hundert Personen täglich fiel. Die Aufregung ließ etwas nach, und die Leute folgten langsam wieder ihrem gewohnten Lebensrhythmus. Wir näherten uns dem Epilog zu dieser Krankheit, die wie ein Albtraum in unser Leben getreten war. Es war seltsam, dass das Virus, das wie ein Geist heimlich, still und leise gekommen war, um ein riesiges Chaos anzurichten, nach kurzem Kampf und unserer Gegenwehr wieder ebenso heimlich, still und leise verschwand. Es entschwand, noch bevor man überhaupt etwas Näheres darüber wusste. War das Virus vielleicht ein Wink des Schicksals? Jedenfalls hatte der Kampf gegen SARS das Leben jedes Chinesen verändert.
Es war mehr Wärme und Intensität in den zwischenmenschlichen Beziehungen zu spüren, ich bekam zum Beispiel täglich per SMS Grüße und ermunternde Worte zugeschickt. Die Ärzte waren alle zu Engeln in weißen Kitteln geworden, die Medienleute wurden nicht mehr dafür gescholten, sich »zu Tode zu amüsieren«, im Internet wurde weniger gestritten, stattdessen wurden überall gute Wünsche ausgesprochen. Selbst die Haushalte in den weniger dicht besiedelten Gebieten oder in den Vorstädten befürworteten nun Preissteigerungen wegen schärferer Lebensmittelkontrollen, weil sie durch SARS die Notwendigkeit zur Rückkehr zu wahren Werten und einem einfachen Leben im Einklang mit der Natur begriffen.
Es dauerte natürlich nicht lange, bis das Lebenstempo der Leute nach SARS wieder zulegte und damit auch die alten Probleme wieder auftauchten. Parolen, die erklangen, während das Virus wütete, wie »Gesundheit ist das höchste Gut« oder »Die Familie geht vor«, erwiesen sich als gerade so vergänglich, wie es jeder gute Vorsatz ist. Die Leute vergessen schnell, ganz gleich, wie real die Bedrohung war, der sie gerade entgangen sind.
Der aufgerüttelte Präsident
Im August desselben Jahres, SARS war schon Vergangenheit, besuchte Ministerpräsident Wen Jiabao zum ersten Mal CCTV, vor allem wegen des 45. Jahrestags der Gründung des Senders. Als wir ihn willkommen hießen, gab es eine Kleinigkeit, die bei mir einen bleibenden Eindruck hinterließ. Sämtliche Direktoren, Abteilungsleiter und andere Mitarbeiter des Senders stellten sich in Reih und Glied für ein gemeinsames Foto mit dem Premier auf. Er selbst saß dabei vorn auf einem Hocker. Als er nach dem Fototermin aufstand und nach vorn ging, um ein paar Worte an uns zu richten, drehte er sich plötzlich auf halbem Weg um und wandte sich an die etwas ältere Kollegin Shen Li: »Kommen Sie, setzen Sie sich auf meinen Stuhl und ruhen Sie sich aus, meine Ansprache wird ein bisschen länger dauern.« Wir waren überrascht von der besonderen Umsicht, die aus dieser Geste sprach. Shen Li setzte sich gerührt, und alle applaudierten.
In seinem Vortrag sprach er dann unter anderem darüber, dass man als Ministerpräsident stets kühl und sachlich bleiben müsse. Anschließend fand noch ein Gespräch mit einem kleinen Kreis von CCTV-Mitarbeitern statt, in dem Wen Jiabao sich in aller Offenheit mit uns austauschte. Im Verlauf des Gesprächs teilte er uns die Entscheidung mit, dass keine riesige Feier zur Inauguration des neuen Sendegebäudes geplant sei. »Ich bin gekommen, um Ihnen zu gratulieren, aber nicht, um Geld zu verschwenden.« Auch für diese Bemerkung erntete er Applaus.
Es schien mir eigentlich etwas unpassend, in diesem Gespräch in
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