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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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für Interviews und Reportagen in Japan. Während meiner zweiten Reise ging es vor allem um den Staatsbesuch des Präsidenten Hu Jintao in Japan, von den Medien allgemein als »Tauwetterreise« bezeichnet. Wir berichteten in großem Umfang direkt aus Japan und waren bis zur Erschöpfung im Einsatz.
    Eines Nachts Anfang Mai, es muss so zwischen 1.00 und 2.00 Uhr gewesen sein, schreckte mich ein seltsames Quietschgeräusch aus dem Schlaf auf. Mein Bett war geradewegs gegen die Wand gerutscht, und das Quietschen kam von der Tür, die aus den Angeln gedrückt wurde.
    Ich wusste sofort: Das war ein Erdbeben. Hatte ich doch in meiner Sendung »Yansongs Blick auf Japan« selbst ein Feature über japanische Maßnahmen zum Erdbeben- und Katastrophenschutz gemacht und dabei einen Testraum für Erdbebenerschütterungen besucht. Aufgrund dieser gestellten Erfahrung schätzte ich, aus meinen Träumen aufgerüttelt, dieses Beben auf eine Stärke von 3, höchstens 5.
    Das Telefon läutete. Der Kollege am anderen Ende sagte: »Ein Erdbeben, schnell hier raus …«
    Ich rannte nicht nach unten, sondern schaltete den Fernseher ein, um zu sehen, was die Nachrichten brachten. Tatsächlich gab es schon Ergebnisse, und die Schriftzeichen für »Erdbeben« flimmerten allerorten über den Bildschirm. Tokio und seine Umgebung waren unterschiedlich stark betroffen, und meine Einschätzung der Erdbebenstärke war in etwa zutreffend. Dadurch, dass ich in einem der oberen Geschosse wohnte, fühlte ich mich im Moment des Erdstoßes zwar nicht gerade wohl in meiner Haut, dennoch – ich weiß nicht, warum – blieb ich in meinem Zimmer, legte mich wieder schlafen und verbrachte eine ruhige Nacht.
    Meine Kollegen waren unterdessen aus dem Gebäude gerannt und hatten die ganze Nacht im Freien zugebracht. Wirklich nervös waren in jener Nacht aber nicht wir, sondern die für die Sicherheit des chinesischen Staatspräsidenten zuständigen japanischen und chinesischen Kräfte. Präsident Hu und seine Delegation wohnten im gleichen erdbebensicheren Hochhaus wie wir, sogar noch einige Stockwerke höher. Bestimmt waren auch sie von dem Erdbeben aufgeweckt worden. Ein Erdbeben gleich am ersten Tag des Besuchs durch das chinesische Staatsoberhaupt war natürlich keine Kleinigkeit. Sofort nach dem Beben wurden Vorkehrungen zur Evakuierung der Delegation getroffen, alles war im Handumdrehen vor dem Gebäude zur Stelle. Es ist davon auszugehen, dass man aufgrund der Erfahrung der Japaner im Umgang mit den dort häufig auftretenden Erdbeben schnell Entwarnung gab. Es bestand keine Gefahr mehr und kein Grund, den hohen Gast zu evakuieren.
    Am nächsten Morgen fragten wir uns, wie es jetzt wohl mit der Agenda des Staatsbesuchs weitergehen würde, die für diesen Tag sehr voll war. Ob nicht die Staatsführung nach solch einer Nacht viel zu erschöpft war?
    Doch das Programm wurde absolviert, als wäre nichts geschehen. Mittags stand ein Besuch beim chinesischen Qingshui-Ballett an. Beim Aufbruch sah mich Hu Jintao aus dem Fenster des Wagens, wie ich gerade in die Kamera sprach, und winkte mir zu. Ich lächelte zurück und dachte mir, das Erdbeben habe den Präsidenten nun wirklich nicht besonders beeindruckt.
    Nach Abschluss der Reportagen aus Japan flog ich am Abend des 11. Mai 2008 aus Tokio zurück nach Peking. Das kleine Erdbeben während unseres Besuchs schien bereits nicht mehr der Rede wert. Doch ausgerechnet einen Tag nach unserer Rückkehr traf uns das schwere Erdbeben von Sichuan, das China in Verzweiflung und Trauer stürzte. Es war das verheerendste Erdbeben seit 32 Jahren 10 – und fast drei Jahre vor der Katastrophe von Fukushima.
    Nur ein harmloser Erdstoß?
    Eigentlich wollte ich mir nach den beiden anstrengenden Reportagereisen nach Japan ein paar Tage Urlaub gönnen. Also flog ich zunächst am Vormittag des 12. Mai nach Yunnan zu einem lokalen Jugendtreffen und wollte bei dieser Gelegenheit im Süden ein wenig meine Batterien wieder aufladen, das war dringend nötig.
    Bei uns im Sender gilt schon immer die Abwandlung eines bekannten Spruchs, nämlich: »Erstens kommt es schneller, und zweitens, als man denkt. Und noch schneller läutet das Telefon.« Das passte, um zu beschreiben, wie wir beim Fernsehen ständig auf unvorhergesehene Themen reagieren müssen. Diesmal kam ein Brüllen aus der Erde, und dann das Läuten des Telefons.
    Ich befand mich in der Ankunftshalle des Flughafens von Kunming, als ich genau um 14.28 Uhr eine Erschütterung

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