Sind wir nun gluecklich
spürte, deren Stärke sich für mich ungefähr so anfühlte wie kurz zuvor in jener Nacht in Tokio, vielleicht sogar schwächer. Ohne länger darüber nachzudenken, sagte ich zu den anderen: »Scheint ein Erdbeben zu sein, aber keine Sorge, es ist nicht besonders heftig.« Die meisten Passagiere des Flughafens waren ähnlich wie ich selbst nur einen Augenblick lang beunruhigt und gewannen sehr schnell die Fassung wieder.
Anders als die Japaner weiß die Mehrheit der Chinesen mit dem Thema »Erdbeben« nicht viel anzufangen. Es wird nicht als eine ständig präsente Gefahr wahrgenommen. Deshalb fanden es die Leute in diesem Moment eher amüsant.
Nach einer gewissen Zeit beschlich sie aber doch ein ungutes Gefühl. Nachdem man zunächst angenommen hatte, es hätte sich in Yunnan selbst ein kleines Erdbeben ereignet, erfuhr man nach und nach über die Mobiltelefone, dass das Epizentrum des Bebens gar nicht hier lag. Die meisten kontaktierten Freunde in Peking, und da sich das Beben dort wesentlich stärker angefühlt hatte, vermutete man das Epizentrum nun da.
Das klang allerdings schon eher furchterregend. Denn wenn ein Beben in Peking selbst im weit von der Hauptstadt entfernt liegenden Kunming zu spüren war, musste es sich um eine gewaltige Katastrophe handeln. Nach ein paar Anrufen fand ich heraus, dass in Peking aber nichts weiter passiert war. Wo dann?
Es dauerte nicht lange, bis die im Flughafen befindlichen Fernsehgeräte die CCTV-Nachrichten brachten. Über die Bildschirme erreichte uns die Meldung: »Schweres Erdbeben in Sichuan! Die Situation ist noch unklar, alle Verbindungen in die Region sind unterbrochen …«
Es war schwer, die Augen noch einmal von den Bildschirmen abzuwenden. Nach und nach kamen Nachrichten vom Ort des Geschehens, und es hieß: Pressekonferenz vor Ort, der Präsident ist auf dem Weg nach Sichuan.
Diese Informationen genügten, um mir zu sagen: Noch vor den Olympischen Spielen hatten wir hier ein Großereignis, allerdings ganz anderer Natur. Es war schon so gut wie sicher, dass es sich um eine schreckliche menschliche Tragödie handelte, ein gewaltiges Unglück.
Während ich mir die laufenden Nachrichten ansah, versuchte ich, Kontakt mit der Senderstation in Sichuan aufzunehmen. Der lokale Sender berichtete in den Stunden nach dem Beben ohne Unterbrechung, zwar auch über das Beben, aber nicht ausschließlich. Für den Abend war auch nach wie vor die programmmäßige Ausstrahlung eines TV-Dramas geplant. Das machte mir Hoffnung. Vielleicht waren meine Befürchtungen doch unberechtigt und vorschnell gewesen. Ich telefonierte zwischendurch mit meinen Pekinger Kollegen und hörte Einschätzungen wie »Wir haben noch keine Details zum Ausmaß des Unglücks, aber das kann sich jede Minute ändern« und »Wir konzentrieren uns auf die bisher festgestellten Tatsachen und haben unsere Nachrichtensprecher alarmiert und wollen besser keine voreiligen Schlüsse ziehen, besonders bezüglich der Zahl der Todesopfer; die Angaben sind zurzeit absolut schwankend«.
Zu Beginn des Jugendtreffens am nächsten Morgen forderte ich die jungen Leute auf, uns gemeinsam zu einer Schweigeminute für die Opfer des Erdbebens zu erheben. Ich weiß nicht, ob diese Schweigeminute vielleicht die erste war, die auf das Beben von Wenchuan folgte, aber ich erinnere mich sehr deutlich daran, wie ich vor den versammelten Jugendlichen die Hoffnung äußerte, dass die Zahl der Toten und Verletzten bitte nicht in die Tausende gehen solle.
So recht mochte ich schon selbst nicht mehr daran glauben, dass sich meine Hoffnung erfüllte. Nach dem Austausch mit den Jugendlichen wurden sämtliche nachfolgenden Aktivitäten abgesagt, und ich wollte nur noch zurück nach Peking, wo ich am selben Tag ankam. Das war der Beginn eines Monats voller Reportagen über das Erdbeben von Wenchuan.
Katastrophenhilfe: Was können, was sollen die Medien leisten?
Als ich in der Nacht des 13. Mai ins Studio ging, gab es noch keinen detaillierten Zustandsbericht, es ging in erster Linie um die schnelle Rettung von Menschenleben. Zu diesem Zeitpunkt waren die Rettungsmannschaften, ganz zu schweigen von den Journalisten, noch nicht bis zum Zentrum des Unglücks vorgedrungen. Jede noch so kleine Neuigkeit von der Situation vor Ort war daher äußerst wertvoll und wurde sofort über die Sender an die Zuschauer weitergegeben. Mir als Nachrichtenmoderator war schon klar, wie viele Menschen begierig die Entwicklung verfolgten und dass die
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