Sind wir nun gluecklich
aus. In den kommenden Monaten wurde das Lied zu einem tröstenden Begleiter durch die Härten, die China in dieser Zeit überstehen musste.
Auch lange danach noch musste man nur leise diese Melodie anspielen, und schon tauchten in der Erinnerung der Leute wieder die Bilder aus dieser besonderen Zeit auf. Ein einzelnes Lied vermochte ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl zu stiften. Es war tragisch genug, dass es nur zwei Jahre später Anlass gab, dieses Lied wieder zu hören, diesmal in einer Version von Wang Shu.
Ein emotionaler Parforceritt
Am 16. Mai bekamen wir die Aufgabe, eine Livesendung in Verbindung mit einer großangelegten Wohltätigkeitsveranstaltung unter dem Motto »Opfer aus Liebe« zu produzieren. Die Anweisung kam ausgesprochen kurzfristig, denn wir wussten auch am 17. noch nicht einmal, wie viele Leute teilnehmen würden, wie lang die Sendung werden und in welchem Programmbereich sie laufen sollte. Kurz: Es gab einfach zu viele Unbekannte.
Soweit ich mich erinnere, hatte es so etwas schon einmal gegeben, und zwar 1998, als sowohl Nord- als auch Südchina von einer großen Flut heimgesucht wurden. In derselben Nacht, als man darüber entschied, ob und wie in Jingzhou die Flut umgeleitet wurde, strahlte CCTV eine Wohltätigkeitsgala für die Flutopfer aus.
Keiner von uns hätte in dieser Situation gesagt: »Das schaffen wir nicht.« Uns war klar, dass es hier nicht darum ging, etwas künstlerisch Wertvolles auf die Beine zu stellen. Wir mussten der Trauer, die in großen Teilen der Bevölkerung herrschte, eine Bühne geben, für ein paar Stunden lang eine bestimmte Idee vermitteln: In dieser Katastrophe halten wir zusammen. Auf Leben und Tod.
Die Herausforderung für mich als Moderator lag darin, Überlebende aus der Erdbebenregion so taktvoll wie möglich zu interviewen, Leute, die gerade ihre Angehörigen verloren hatten, die noch völlig verstört waren, die man in diesem Moment vielleicht besser ganz in Ruhe ließ. Aber schließlich ging es darum, möglichst viele Leute dazu zu motivieren, dass sie sich den freiwilligen Rettungsmannschaften anschließen. Und dazu brauchten wir Augenzeugen und die Aussagen von Betroffenen.
Während der Proben am Nachmittag vor der Sendung traf ich vorab auf die hübsche Polizistin Jiang Min, die ich später interviewen sollte. Sie hatte durch das Erdbeben ihre Tochter und ihre Mutter verloren und war unermüdlich in der ersten Reihe der Hilfstruppen im Einsatz. Als wir uns am Nachmittag trafen, plauderte ich kurz mit ihr, um einmal vorzufühlen, wie belastend das Thema für sie war. Sie befand sich meiner Meinung nach in einer sehr schlechten und instabilen Verfassung. Ich sprach daraufhin noch einmal mit dem Sendeleiter und schlug vor, bei ihr zumindest auf die nachmittägliche Probe zu verzichten, um sie nicht gleich zweimal zu quälen. Es würde genügen, sie am Abend zu interviewen. Das war natürlich ein Risiko, aber zum Glück bekam ich vom Regisseur grünes Licht.
Ich sagte zu Jiang Min: »Komm, geh nach Hause und ruh dich aus. Es wird schon gehen. Wir sind doch beide im Zeichen des Affen geboren, ich bin sozusagen dein großer Bruder. Also keine Bange, dein großer Bruder ist heute Abend mit dir auf der Bühne.«
Die Atmosphäre während der Liveübertragung des Galaabends war unglaublich. Unter den Zuschauern im Studio wie bei unseren Leuten hinter den Kulissen flossen Tränen, und wir Moderatoren mussten uns inmitten dieser Gefühlswallungen beherrschen, so gut es ging.
Als die Reihe an den Auftritt von Jiang Min kam, betrat ich mit ihr gemeinsam die Bühne. Doch als wir dort zusammen standen, spürte ich, wie schwach sie war, sie war wie ein Blatt im Wind, das jeden Moment vom Baum geweht werden könnte. Instinktiv nahm ich sie bei der Hand, um ihr eine Stütze zu sein. Ich machte es kurz und verzichtete auf einen Großteil der Fragen, die ich vorbereitet hatte. In diesem Moment fühlte ich mich auf einmal selbst so schwach wie diese junge Polizistin.
»Nur ruhig, Sie müssen nichts sagen.« Jiang Mins zerbrechliche Gestalt und ihre schlichten Worte rührten damals ganz China. Nach dem kurzen Auftritt nahm ich sie geradezu in den Arm, als ich sie wieder nach hinten begleitete.
Dort vertraute ich sie einem Kollegen an, weil ich mich selbst einfach nicht mehr beherrschen konnte. Ich hockte mich in eine Ecke und fing an, mir die Seele aus dem Leib zu heulen. Ausgerechnet in diesem Augenblick, als ich einfach nicht mehr Herr meiner Gefühle
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