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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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Frühlingswind. Ich habe den Eindruck, dass ein wichtiger Faktor für ein so ungekünsteltes und offenes Lächeln ein gewisses Selbstbewusstsein ist. Wer sich und anderen nicht stetig etwas beweisen zu müssen meint, kann einfach mit der nötigen Gelassenheit sein Leben führen und ohne unnötige Ablenkungen seinen Job gut machen.
    Olympia mit Bierdunst
    Die Atmosphäre in Sydney verströmte einen Hauch von Lässigkeit und Freiheit, da waren dieser ständige Bierdunst in der Luft und der bunt zusammengewürfelte Haufen von Touristen aus aller Herren Länder. Wenn wir mit unseren Berichten durch waren, war es in Sydney bereits mitten in der Nacht, und das war die beste Zeit, um die besondere Olympiastimmung Australiens zu erkunden.
    Unser Studio lag nicht weit entfernt von Sydneys berühmtem Opernhaus, die Oper und die Harbour Bridge gehörten quasi zu unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Die Gegend war eins der beliebtesten Ausgehviertel für Touristen, das vor 3.00 Uhr morgens kaum zur Ruhe kam. Also drehte ich nach getaner Arbeit jeden Abend noch eine Runde um das Opernhaus und den Olympic Square und wurde Zeuge der nächtlichen Ausgelassenheit der Sportfans.
    Auf dem Olympic Square wurde jeden Abend von verschiedenen Großbildleinwänden über australische Fernsehsender der Rückblick auf die spektakulärsten Wettkämpfe mit den Ergebnissen des Tages übertragen, vor jeder Leinwand versammelte sich ein unterschiedliches Publikum. In der Regel standen Grüppchen von mehreren Leuten zusammen, die sich unterhielten und sich nebenbei die Bilder ansahen. Aber ganz gleich, wer und wo, alle hatten dabei ein Bier in der Hand. Ich sah mir das ein paar Tage lang an und entwickelte meine eigenen Theorien dazu. Erstens sind die Menschen im Ausland ziemlich geduldig und genügsam. In zwei Stunden trinken sie gerade mal eine Flasche Bier, noch dazu eine kleine. Zweitens vertragen Ausländer nicht besonders viel: Schon nach ein, zwei Flaschen Bier sind sie ganz ausgelassen. Drittens gibt es keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Beide Geschlechter rauchen und trinken Bier, die Frauen liegen beim Rauchen sogar vorn. Viertens achten nicht alle unbedingt auf Selbstkultivierung, überall sieht man blanke Bierbäuche, natürlich nur bei Männern. Und dann werfen sie ihren Müll einfach so durch die Gegend. Der Höhepunkt in dieser Hinsicht war die Eröffnungszeremonie. Als ich danach auf die Straße trat, war sie zentimeterhoch mit Glasscherben übersät, die von Flaschen herrührten, die Betrunkene in ihrem Hochgefühl einfach irgendwo hingeworfen hatten. Da fragte ich mich schon, ob wir in China eigentlich extrem kritisch sind, weil wir unseren eigenen Leuten oft unzivilisiertes Verhalten vorwerfen, wenn sie mit nacktem Oberkörper herumlaufen und Müll nicht sachgemäß entsorgen. Zugegeben, diesem Chaos haftet eine gewisse Gelassenheit und Freizügigkeit an … ich fürchte, das gehörte einfach zur Stimmung dazu, vielleicht hat jede Olympiade solche Bierdunst-Momente.
    Ich fantasierte so vor mich hin, wie es wohl sein würde, wenn die Olympiade wirklich einmal nach China kommen sollte. Würden wir es auch hinbekommen, ein chaotisches Gemisch aus Reisschnapsgeruch und Yanping-Bier-Dunst zu produzieren? Wenn ja, dann wäre das mal eine ganz andere Art von Erfolg und Fortschritt. Als dann acht Jahre später Olympia nach Peking kam, nahm sich der Alkoholdunst unter den vielen übrigen Gerüchen eher schwach aus. Schade, aber wir müssen den anderen ja auch ein paar Pluspunkte gönnen …!
    Noch interessanter war, die sonstigen Gepflogenheiten der vielen Menschen aus aller Herren Länder zu beobachten. Die Reichen wohnten bevorzugt auf einem der Luxusdampfer, die während der Spiele im Hafen lagen. Die weniger Reichen oder schlicht diejenigen, die an so etwas keinen Gefallen fanden, schliefen einfach, in die Fahne ihres jeweiligen Heimatlandes gerollt, in den U-Bahn-Stationen. Ich sah zahlreiche Schlachtenbummler, die sich auf diese Weise offenbar sehr wohl fühlten. Von den Bewohnern Sydneys selbst waren viele »ausgeflogen«, während andere hier Urlaub machten, hatten die »Locals« vorab ihr Heil in der Flucht gesucht, vielleicht auch das ein Zeichen von Gelassenheit.
    Während meiner Streifzüge beobachtete ich nicht selten Prügeleien. Von irgendwo ertönte Geschrei, und wenn man sich umdrehte, rappelte sich gerade einer aus einem Haufen Schaulustiger auf. Dabei ging es nicht unbedingt um Mädchen, sondern es waren

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