Sind wir nun gluecklich
oft Kerle aus verschiedenen Ländern, von denen eines in einem der Wettkämpfe besser abgeschnitten hatte als das andere, und nun wollten sie sich noch einmal in einer etwas unzivilisierteren Weise miteinander messen. Schiedsrichter war das umstehende »Publikum«. Das schlichtete aber nicht, noch verteilte es Noten, sondern feuerte die Kampfhähne tüchtig an, bis sie irgendwann auseinandergingen und sich für die Verleihung ihrer Medaillen aufreihten. Die gab es zwar nicht, das war aber auch nicht weiter schlimm. Auf in die nächste Kneipe …
Dann gab es überall Straßentheater und Straßenmusik, auch diese aus aller Welt. Nachdem ich mir einige angesehen hatte, kam ich zu dem Schluss, dass es hier nicht darum ging, für ein Publikum zu spielen und diesem zu gefallen, man spielte aus purem Vergnügen. Es war völlig unerheblich, ob man viel Zuhörer hatte oder wenig. Gerade darum machte es Spaß, sich das Ganze anzuschauen.
All diese Aspekte hatten etwas Ungeordnetes, aber zusammen ergaben sie ein großes, fröhliches Theater, in dem unterm Strich niemand dem anderen etwas streitig machte, alles kontrastierte und ergänzte sich. Für mich hieß das: Der Erfolg einer Olympiade hängt davon ab, dass innerhalb wie außerhalb der Sportstätten eine gute Show läuft. Mein Traum war, dass bei einer Olympiade in meiner Stadt auch solch eine Stimmung herrschen würde, auf keinen Fall dürfte alles von der Stadtverwaltung aufs strengste geregelt und in ein »Prokrustesbett« gepresst werden. In Shanghai hing zur Expo überall der Slogan: »Die Stadt macht das Leben erst schön.« Ich hätte ihn am liebsten abgewandelt in: »Das Leben macht die Stadt erst schön.«
Sind Zweitplatzierte Verbrecher?
Das war mein erstes Mal als Chefmoderator der Olympischen Spiele, aber diese Rolle war auch etwas ganz Neues in der Geschichte von CCTV. Bevor es losging, sagte ich zu meinem Kollegen Ning Xin: »Am besten betrachten wir uns nicht als Moderatoren, sondern als Sportfans, die das Publikum zur Olympiade begleiten.«
So verhielten wir uns auch, die ganzen Spiele über waren wir so entspannt wie nie zuvor. Freuten wir uns, dann schlugen wir vor laufenden Kameras auf den Tisch und klatschten in die Hände. Lief es nicht so gut, ließen wir auch einmal unserer Enttäuschung und unserem Ärger freien Lauf. Wenn es spannend wurde und wir gar nicht hinsehen konnten, gingen wir in Deckung, um die Spannung ertragen zu können. Als es zum Beispiel zwischen Kong Linghui und Jan-Ove Waldner im Tischtennis 2:2 stand, wollte ich bei der fünften Runde gar nicht hinsehen und rannte nach draußen, aber nur, um kurz darauf den Kopf wieder zur Tür hineinzustrecken und zu fragen, wie es steht.
Ich muss gestehen, dass es nach meiner langen Zeit bei den Nachrichten großen Spaß machte, über Olympia zu berichten. Es gab nicht so viele Tabus; und ich musste mir keine Gedanken darüber machen, was man im Fernsehen zeigen konnte und was man besser sein ließ.
Natürlich ist es nicht allein diese Freiheit. Es kommt darauf an, welche Haltung man gegenüber den sportlichen Wettkämpfen und ihrem Ausgang einnimmt, ob man auch hier locker bleibt und in Ruhe entscheidet, welche Akzente man setzt, wie man spricht und urteilt.
Ich hatte mir über diese Fragen vor dem Start viele Gedanken gemacht. Als Fan ist für mich Sport nicht nur ein Wettstreit, es geht vielmehr um Menschen, um Emotionen. Starre und nüchterne technische Daten und Fachbegriffe interessieren das Publikum nicht sonderlich. Dass die Leute bei Olympischen Wettkämpfen so nervös sind, liegt daran, dass es hier um Menschen und Schicksale geht, Menschen sich mit Menschen messen, die Gefühlswelt der Athleten und das Auf und Ab der Emotionen bei den Sportfans auf den Tribünen. Es kann also nichts Falsches daran sein, wenn man als Moderator selbst seinen Gefühlen Raum gibt und mit der Leidenschaft der Zuschauer mitgeht.
Da es das erste Mal war, dass CCTV auf diese Weise die Spiele live übertrug, wurde das Sendestudio auch zu einer Art »Sicherheitsventil«. Wir hatten durchaus mit einigen unvorhergesehenen Problemen zu kämpfen. Einmal berichteten wir von einer Medaillenverleihung und bekamen die Weisung des Sendeleiters, den Kommentar zu beenden und auf das Stadion umzuschalten. Das wollten wir gerade tun, als die Stimme des Sendeleiters plötzlich wieder in meinem Kopfhörer ertönte: Es gibt da ein Problem, redet weiter. Wir hatten schon beinah umgeschaltet, aber gut, etwas stimmte
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