Sind wir nun gluecklich
Sportzeitungen schenkten ihr hohe Beachtung, schließlich betrachtete Australien China als großen Rivalen im Kampf um die Goldmedaillen. Wir bekamen in der Nacht kaum ein Auge zu. Es war unser erster Tag in Sydney, und schon hatten wir einen gehörigen Schuss vor den Bug bekommen. Dass die politische Führung diese rigorose Entscheidung getroffen hatte und den Erfolg der Sauberkeit ihres Nationalteams opferte, gab die Richtung für die Athleten vor. Wenn die politische Führung Chinas sich einer Sache wirklich annahm, so bewies dieses Vorgehen, zeitigte sie auch Erfolg. Das Dopingproblem spielte in der Folge im Nationalsport eine viel geringere Rolle.
Sport ist das Aushängeschild
Da uns noch ein bisschen Zeit bis zur Eröffnung der Spiele blieb, begannen wir, in großem Stil Material zu sammeln und uns dem Lebensgefühl dieser Stadt Sydney anzunähern.
Es herrschte bereits eine ausgelassene Stimmung vor Ort, doch obwohl überall Banner und Slogans angebracht waren, war vom Motto der Olympischen Spiele selbst nirgends etwas zu sehen. Sicher war alles bis ins Kleinste vorbereitet, aber auf uns wirkte das Ereignis nicht sehr straff durchorganisiert, sondern die Atmosphäre war eher gelassen und leger.
Die intensive Stimmung in der Stadt wurde genährt von der offensichtlichen Begeisterung der Australier für den Sport. Auf der »Goldenen Meile« im Zentrum von Sydney war jedes zweite Geschäft ein Sportartikelladen, für uns eine erstaunliche Dichte. Von morgens bis abends zogen ständig Jogger an uns vorbei. Ich bin mir sicher, dass das nichts mit der Olympiade zu tun hatte, die Australier sind einfach grundsätzlich so sportlich. Auf mich machte das großen Eindruck. Als Peking danach den Zuschlag für die Austragung der Spiele bekam, wurde ich in zahlreichen Diskussionen und Sendungen nicht müde zu betonen, dass das Schönste an einer Stadt nicht ihre Hochhäuser sind und auch nicht ihre Sehenswürdigkeiten, sondern Menschen, die sich voller Energie darin sportlich betätigen. Ich hoffte, dass die Pekinger oder die Chinesen nicht nur Sportzuschauer vor dem Fernseher sein würden, ohne sich selbst auch sportlich zu betätigen.
Einmal beobachteten wir an einem Strand von Sydney zwei Mannschaften beim Beachvolleyball. Das Niveau war so hoch, dass es uns den Atem verschlug. Ich scherzte: »Wer weiß, welches Nationalteam hier wohl gerade trainiert?«, als mein Begleiter ungerührt antwortete: » Das ist hier immer so, das sind ganz normale Einheimische, oft ist das Niveau sogar noch höher.«
Als wir mit den Livereportagen anfingen, waren wir zwar so ziemlich auf das Olympische Dorf beschränkt, aber obwohl wir wenig Gelegenheit hatten, in das Stadion zu gehen, nahmen Ning Xin und ich uns immer wieder Zeit, uns auch einmal in die Zuschauerreihen zu begeben. Einmal gingen unser Chef Ma Guoli und ich jeder mit einem Bier in der Hand für zwanzig Minuten ins Stadion. Das zentrale Stadion war ziemlich groß und hatte Platz für etwa 100 000 Zuschauer. An jenem Nachmittag gab es keine besonders wichtigen Wettkämpfe, aber das Stadion war zum Bersten gefüllt, bis auf die letzte Reihe schien jeder Platz besetzt zu sein. Ich war ehrlich überwältigt von der Faszination des Sports und von der enormen Begeisterung der Australier für den Sport.
Dass die Spiele von Sydney hinterher von aller Welt als besonders erfolgreich gewertet wurden, lag meiner Meinung nach nicht nur an den athletischen Leistungen, der Eröffnungszeremonie und guten Sicherheitsvorkehrungen. Es gab außerdem zwei entscheidende Punkte. Erstens haben die Australier wirklich ein Faible für Sport und engagieren sich dafür. Zweitens kamen die freiwilligen Helfer bei diesen Spielen aus allen Altersschichten, hatten jeder ein ehrliches Lächeln auf den Lippen und waren von echter Begeisterung erfüllt. Sie standen »wie ein Mann« für das gleiche Ziel. Sie vermittelten uns eine angenehme Gelassenheit, keinerlei Distanz war zwischen uns zu spüren.
Wenn wir in unserer Kabine arbeiteten, kamen hin und wieder Freiwillige herein, um sauberzumachen. Sie hielten ein Schwätzchen mit uns, lobten die chinesischen Leistungen und waren dabei natürlich und völlig ungekünstelt. Auch an anderen Orten verhielten sich die Freiwilligen, unter ihnen sehr viele ältere Leute, genauso locker. Das war ganz sicher kein antrainiertes Verhalten, und es gab auch kein aufgesetztes Zahnpastareklame-Lächeln. Es war die Art von Lächeln, die dich umfängt wie ein angenehmer
Weitere Kostenlose Bücher