Sind wir nun gluecklich
nicht mit der Szene, und Ning Xin und ich schwatzten zwanzig Minuten lang weiter. Kein Wunder, dass wir hinterher von Zuschauern Kommentare bekamen wie: »Da habt ihr zwei aber ein bisschen zu lange herumgeschwafelt.«
So entspannt das Ganze auch war, die Wettkämpfe selbst boten natürlich genug Anlass zur Spannung. Die erste Goldmedaille für China ließ eine ganze Weile auf sich warten, Athleten, auf denen große Hoffnungen ruhten, versagten. Aber als dann der Sportschütze Wang Yifu einen ersten Erfolg errang und Silber gewann, hätte ich nicht erwartet, dass er dafür in China auch noch beschimpft wurde. Vor allem im damals noch nicht so weit verbreiteten Internet wurde er beleidigt und verunglimpft. Ich fand das beunruhigend und verwies in unseren Berichten wiederholt stolz auf den Erfolg. Es wollte mir nicht in den Kopf, warum es einige Landsleute gab, die einen Sportler verunglimpften, obwohl er einen so beachtlichen Erfolg wie eine Silbermedaille errungen hatte.
Hier muss ich die Geschichte der ersten Medaille für Australien bei diesen Spielen einfügen. Natürlich wünscht sich jedes Land, in dem eine Olympiade ausgerichtet wird, dass einer seiner Athleten möglichst als Erster olympisches Gold erkämpft, in Sydney war das nicht anders. Die Hoffnungen ruhten zunächst auf dem »Ironman«-Triathlon der Frauen. Da die beiden australischen Wettstreiterinnen die ersten Weltranglistenplätze in dieser Disziplin besetzten, galt für die Gastgeber: Die Goldmedaille haben wir so gut wie in der Tasche.
Am Tag des Wettbewerbs ruhten alle Augen auf den beiden Triathletinnen, aber die Wege des Herrn sind unergründlich – am Ende holte sich die Sportlerin einer anderen Nation den Titel, und Australien bekam Silber. Da hätte es dann ja eigentlich enttäuscht Kritik regnen können. Aber davon konnte keine Rede sein, fröhliche Gesichter allenthalben, keine Wut, keine Enttäuschung. Die Zeitungen brachten am nächsten Tag das strahlende Gesicht der Silbermedaillengewinnerin und ein Zitat von ihr: »Ich bin glücklich, dass ich mein Bestes gegeben habe, um für mein Land die erste Medaille zu erringen.«
Auch ich freute mich bei diesem Anblick für sie. Und dann betrachtet man sich noch einmal die tragische Gestalt von Silbermedaillengewinner Wang Yifu, auf den mit dem Finger gezeigt wurde, als hätte er etwas falsch gemacht, und versteht die Welt nicht mehr. Glücklicherweise trat Wang Yifu vier Jahre später in Athen noch einmal an und errang Gold, um seine Sportkarriere glänzend zu besiegeln. Wenn man ihn heute fragte, ob der Unterschied zwischen der Gold- und der Silbermedaille groß sei, dann würde er vermutlich lakonisch antworten: »Riesengroß.«
Sicher waren die Gefühle dahinter weniger lakonisch. Hinter dieser Antwort stand der große Schmerz über die erfahrene Ungerechtigkeit, das Wort fiel wie eine Träne.
Auf jeden Fall erwies sich die chinesische Olympiaauswahl späterhin als so erfolgreich wie wundervoll. Als China 28 Goldmedaillen gewonnen hatte, schrieb ich spontan eine 2 und eine 8 auf ein Blatt Papier und malte noch zweimal die Null dazwischen, sodass sich die Zuschauer fragen durften: »Meint er die 28 Medaillen oder sieht er ein gutes Omen für Peking 2008?«
Am darauffolgenden Tag brachten meine Kollegen von der Presse in Peking meine spontane Reaktion in den Zeitungen, und man spekulierte über dieses günstige Vorzeichen. Niemand glaubte damals im Ernst daran, dass, ein Jahr nachdem wir 28 Goldmedaillen eingeheimst hatten, in Moskau die Wahl für die Austragungsrechte der Olympiade 2008 ohne große Komplikationen auf Peking fallen würde – und ich zum Propheten dieses historischen Ereignisses werden würde. Vermutlich war das aber der Grund dafür, dass ich aus der Umfrage der Pekinger Newsweek mit dem Titel »Wen wünschen Sie sich als Moderator für die Olympischen Spiele in Peking?« als »glückliche« Nummer eins hervorging. Ja, und ich übernahm acht Jahre später tatsächlich die Moderation der Olympiade in Peking. Und der Ursprung für diese Entscheidung lag in Sydney, diesem Ort, der mir damals Enttäuschung beschert wie Freude bereitet hatte. Also möchte ich sagen, ob nun im Namen Chinas oder nur in meinem eigenen: »Danke, Sydney!«
Die zweite Bewerbung: Werden wir es schaffen?
Die Freude über das gute Abschneiden des chinesischen Olympiateams in Sydney war noch nicht ganz verklungen, schon quälten sich die Chinesen mit der nächsten bangen Frage. Am 13. Juli 2001
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