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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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Wir brauchen Selbstvertrauen, keine Selbstgewissheit. Von da an herrschte ständige Besorgnis, jede zufällige Bemerkung oder noch so kleine Anspielung zeitigte eine große Wirkung.
    Unser Hotel in Moskau war das »Hotel Ukraine«, ein hundertprozentiges Relikt aus der ehemaligen UdSSR. Unsere ganze Truppe hielt dort feierlich Einzug und wartete in der Lobby auf die Zimmerschlüssel, die eine ältere Russin austeilte. Als ich meinen Schlüssel bekam, musste ich lächeln. Ich hatte die Nummer 713, das heißt das Datum des Wahltags. Diese glückliche Fügung musste ich gleich den anderen mitteilen: Alles in Butter, Peking wird’s. Am Abend des Wahltags feiern wir in meinem Zimmer. Für so viel Optimismus erntete ich allenthalben freundliches Gelächter.
    Sie lachten, aber im Grunde standen sie unter enormer Anspannung. Wer die Olympischen Sommerspiele 2008 austragen würde, wurde mit den einzelnen Stimmen der Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees entschieden, die alle aus unterschiedlichen Kontinenten und Ländern stammten, jeder von ihnen kam als Vertreter der Interessen seines Kontinents, seines Landes, und dann zählte noch die persönliche Beziehung zu den anderen Mitgliedern. Hinzu kamen die vielen psychologisch geschickten Kniffe der Kandidaten – all das zusammengenommen würde sich auf das Abstimmungsverhalten auswirken. Nur wie, das war ein Rätsel.
    Von He Zhenliang, dem Senior in der chinesischen Delegation, konnte man erfahren, wer hundertprozentig für China stimmen würde, doch wie würden sich im letzten Moment diejenigen entscheiden, die nur mit 95-, 80- oder 60-prozentiger Sicherheit für China waren? Absolut sicher war sich niemand, der alte He eingeschlossen. Der Zweifel stand ihm ins Gesicht geschrieben. Äußerlich wirkte er ruhig, doch die dahinterliegende Unruhe ließ sich nicht verstecken.
    Der gefürchtete Moment
    Abgesehen von Faktoren wie der tatsächlichen Stärke und der technischen Ausstattung kamen in Moskau auch noch andere Faktoren zum Tragen, die die Wahl beeinflussen konnten. Es waren mehrere Gruppierungen präsent, welche die Wahl Pekings verhindern wollten, unter anderem die »Bewegung Freies Tibet« und die »Falun Gong«.
    Ich erinnere mich daran, wie wir eines Morgens, als wir vor dem Hotel auf unseren Gruppenbus warteten, dort eine Ansammlung von als Tibeter verkleideten Leuten sahen und jemand sagte: »Seht mal, das Nationale Olympische Komitee Tibets ist auch vertreten!«, und ein anderer korrigierte: »Nein, das sind die vom ›Freien Tibet‹, seht doch die Flaggen.«
    So war es auch. Sofort schlug die Stimmung um, und niemand von uns wusste so recht, was er tun oder sagen sollte. Aber das war immer noch Moskau. Innerhalb weniger Minuten waren zwei Polizeiwagen zur Stelle, aus denen ziemlich martialisch aussehende russische Sondereinheiten stiegen. Im Handumdrehen hatten sie die Tibet-Aktivisten in die Autos gesteckt und waren wieder verschwunden, als wäre nichts geschehen. Solche Vorfälle gab es häufiger.
    Am 13. Juli ereignete sich während unserer Reportage ein Drama, das uns regelrecht den Atem anhalten ließ. Wir waren den ganzen Tag über auf Sendung. Das Procedere sah so aus, dass jede der fünf Städte nacheinander die Präsentation ihrer Bewerbung vortrug, die letzte und schönste darunter war unsere.
    Ich war sicher, dass unsere Präsentation großen Eindruck gemacht hatte, vor allem ein Satz des altehrwürdigen He: »Jede Ihrer Entscheidungen wird in die Geschichte eingehen, aber nur eine bestimmte Entscheidung wird Geschichte machen.«
    Doch um ein Haar hätten unsere Zuschauer das alles nicht zu sehen bekommen. Wir waren mitten in der Liveübertragung, gerade lief die Präsentation von Osaka, als plötzlich unser Übertragungssignal ausfiel. Zum Glück konnten wir schnell ein Feature einschieben, das wir schon zuvor vorbereitet hatten, und dann weiter live senden, als das Signal wieder funktionierte. Da die Abschlusspräsentation Pekings noch nicht anstand, hatten wir kurz Zeit, die Standleitung technisch überprüfen zu lassen. Die Zuschauer bekamen von unseren Problemen so gut wie nichts mit. Aber allen Anwesenden vor Ort war der Schreck in die Glieder gefahren.
    Tatsächlich hatten ein paar Saboteure, die fälschlicherweise annahmen, die asiatischen Gesichter der Repräsentanten Osakas gehörten Chinesen, in diesem Moment draußen die Schnittstelle unserer Kabelverbindungen unterbrochen. Dank diesem Irrtum konnten wir uns, zumindest in dem

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