Sind wir nun gluecklich
wurde, da habe ich geweint.«
Mich brachte das dazu, zurück in Peking mit den zuständigen Behörden darüber zu sprechen, ob sich nicht etwas machen ließe, um die Bewohner Mianyangs zu trösten. Ich war mir sicher, dass viele so dachten wie ich. Später wurde dann tatsächlich in der Turnhalle, in der damals die Obdachlosen wohnten, eine symbolische Zeremonie der Fackelübergabe abgehalten. Ob das wirklich ein Trost war, weiß ich nicht.
Ich rannte also nach dieser Geste vom Wumen-Tor aus los und musste feststellen, dass wir auf dem kurzen Stück zwischen Wumen und Tian’anmen ja jeder nur 50 Meter zu laufen hatten, ich war also kaum losgelaufen, als schon »Chinas Hoheit« vor mir auftauchte, der 2,29 Meter große Basketballer Yao Ming.
Auch hier ließ ich mir nicht nehmen, die Übergabe mit einer bedeutsamen Geste zu verbinden. Nachdem ich mich bei ihm kurz eingehakt hatte, war meine Aufgabe erfüllt. Wir wussten beide, was dieser Haken zu bedeuten hatte. Er war dem Gerede der letzten Tage geschuldet. Da hieß es: Ihr Basketballer spielt mal ordentlich und lasst euch nicht von Ruhm und Geld dazu verleiten, bestimmte Duelle aufzugeben und euch für den Gegner ins Zeug zu legen. 12 Hauptsache, ihr gebt alles, von Anfang bis Ende, dann werden wir euch anfeuern, egal, welchen Platz ihr am Ende macht. Yao Ming gab die Antwort, die sich für einen Mann gehört: Wir werden garantiert bei jedem Duell aufs Ganze gehen.
Mir gefiel diese Einstellung, darin verbarg sich ein gewisser Sinneswandel. Olympische Spiele können nicht als Ruhmeshalle für die Suche nach Erfolg und Profit allein benutzt werden. Warum können wir nicht einfach am großen Tag die Frage nach Sieg und Niederlage hintanstellen und begeistert in den Wettkampf ziehen? Wer weiß, das Ergebnis wird gerade dann vielleicht nicht das schlechteste sein. Und letztendlich war das Ergebnis der chinesischen Männer-Basketballmannschaft auch gar nicht so übel …
Nachdem ich glücklich meinen kurzen Fackellauf absolviert hatte, bekam ich im Nachhinein einen kleinen Dämpfer verpasst. Ich rief zu Hause an und fragte meine Frau, ob unser Junge die Liveübertragung gesehen habe, und war wahnsinnig enttäuscht, als sie antwortete: »Tut mir leid, aber er hat es verschlafen …«
In ein paar Jahren werde ich ihnen aber die Möglichkeit verschaffen, quasi noch einmal dabei zu sein, dann werde ich nämlich die beiden olympischen Fackeln meiner zwei Läufe und das Outfit dazu in einer Wohltätigkeitsauktion versteigern, damit Bedürftige etwas davon haben. Denn schließlich gehört das alles ja nicht mir persönlich.
Soweit die Höhen und Tiefen des olympischen Fackellaufs, wie ich sie erlebt habe. Im Rückblick lag es in der Natur der Sache, dass nicht alles reibungslos verlaufen war. Für uns im Sender stand die größte Prüfung erst noch bevor, denn wer konnte sagen, ob unsere zwei, drei Jahre Vorbereitung auf die Liveübertragung der Olympiade ausreichend gewesen waren oder die sieben Jahre Vorbereitungszeit für die Sommerspiele selbst? Was würden die passenden Worte sein, um auf Resultate zu reagieren, welche Erinnerungen sollten wir den Leuten für die Zukunft mitgeben? Ich saß zwar wie auf glühenden Kohlen, war aber zuversichtlich genug.
Die Olympiade in China: Die Zukunft beginnt mit der Erinnerung
Im verbleibenden Teil dieses Kapitels dokumentiere ich die Erinnerungen und Schlussfolgerungen, die ich drei Tage nach dem Abschluss der Olympiade in Peking 2008 zu Papier brachte. Ich habe mich entschlossen, sie hier unverändert wiederzugeben, weil sie ein weiteres Mal wachrufen, was mir damals durch den Kopf ging. Sie sind noch ganz unter dem Eindruck der großartigen Abschlusszeremonie der Spiele verfasst.
Die Olympischen Spiele, die für uns mit dem Countdown der letzten tausend Tage vor der Eröffnung begannen, können wir nunmehr mit einem »Countback« noch einmal rückblickend betrachten. Das Urteil anderer haben wir vernommen, und auch unser eigenes Urteil fällt nicht schlecht aus. Mehr muss nicht gesagt werden. Diese friedlichen Olympischen Spiele waren zuallererst ein Erfolg; dazu kamen die außergewöhnlichen Leistungen von Michael Phelps oder Usain Bolt, mit denen gleichzeitig der chinesische Anfeuerungsruf jiayou Einzug in den internationalen Wortschatz hielt. Politiker, Stars, Geschäftsleute, sie alle haben in diesem heißen August eine Reise zu ihrem ganz persönlichen China gemacht. Die Herausforderungen vor dem Wettbewerb und die
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