Sind wir nun gluecklich
Nationalhymne. In der Sendung »Xinwen Lianbo«, deren Sendezeit so teuer wie Gold ist, musste ehemals bei jeder Goldmedaille das Hissen der Flagge gezeigt und die Nationalhymne in voller Länge gesendet werden. In früheren Spielen gab es höchstens einmal sechs Goldmedaillen an einem Tag, und es kam nicht oft vor, dass am letzten Tag noch mehrere auf einmal gewonnen wurden, also hatte »Xinwen Lianbo« keine Probleme damit.
Doch bei dieser Olympiade regnete es täglich bis zu acht Goldmedaillen für China, es gab keinen einzigen Tag ohne Medaille und selten nur eine. Nach den alten Regeln hätte sich »Xinwen Lianbo« also in ein reines Hymnen-Dauernudelprogramm verwandelt. Daher beschränkte man sich darauf, mehrere Ehrungen zusammenzufassen und dabei einmal das Hissen der Nationalflagge und die Nationalhymne zu bringen. Das reichte de facto völlig aus. Und diese Entscheidung wurde nicht erst gefällt, als es viele Goldmedaillen zu vermelden gab!
An dem kleinen Beispiel wird deutlich, was wir alle bemerken konnten. Der sonst bei Olympischen Spielen übliche Nationalismus schlug bei dieser Olympiade etwas leisere Töne an. Die Berichterstattung in den Medien verzichtete auf allzu viele Kommentare wie »für die Glorie des Vaterlands« oder »der Stolz der Nation«. Auch die Athleten selbst ließen während der Interviews nicht allzu viele hohle Phrasen vernehmen, die Journalisten versuchten auch nicht ständig, ihnen vaterländische Töne zu entlocken. Dieser zurückhaltende Patriotismus wirkte aber viel tiefer, beherrschter und echter. Er hinterließ bleibenden Eindruck.
Auffallend, um wie viel hochtönender nun die Liebe, ein regelrechter neuer »Liebeskult« anstelle des bescheideneren »Staatskults« im Ergebnis zum Zuge kam. Er war überall, und er machte keinen Unterschied zwischen China und dem Ausland.
Dadurch erst wurde mir bewusst, warum wir vor vier Jahren Zhang Guozheng so ins Herz geschlossen haben, als er seinen Titel mit den Worten kommentierte: »Schatz, ich liebe dich unsterblich.« Damit hatte die Liebe im Olympiastadion Einzug gehalten.
Sportschütze Matthew Emmons verhalf China nicht nur gleich zweimal dadurch zur Meisterschaft, dass er den letzten Schuss verpatzte, er rührte uns vor allem auch durch die Liebe zu seiner Frau. Diese Liebesgeschichte geisterte von der Eröffnungs- bis zur Schlusszeremonie durch die chinesischen Medien und wird es wohl auch bis in die ferne Zukunft hinein tun. Das Paar übertraf an Popularität sogar Prinz Charles und Lady Di oder die Beckhams, bis dato die berühmtesten ausländischen Prominentenpaare in China.
Natürlich machten auch chinesische Athleten in der Öffentlichkeit viel Wind mit ihren Liebesgeschichten, so wie die des Badmintonspielers Zhang Yang, die ein großes Thema in der Presse war. Der Turner Yang Wei sagte nach seinem Sieg in die Kamera: »Ich denke an dich.« Die Tischtennisspielerin Wang Nan lief nach ihrem letzten Schlag unter Tränen zu ihrem Mann. Die Beachvolleyball-Spielerin Tian Jia verließ die Arena und sank ihrem mit Rosen wartenden Freund in Arme.
Dann waren da noch die stille Übereinkunft von Zhang Ning und ihrem Mann, die gegenseitige Unterstützung von Lin Dan und Xie Xingfang, Wang Jingzhi und Tan Xie, die gemeinsam ihre Niederlage ertrugen, ein ausländischer Kajaklehrer, der seine chinesische Frau zum Erfolg küsste … Die Liebe wurde zu einem neuen Glaubenssystem. Wie auch bei dem deutschen Athleten Matthias Steiner, der bei der Siegerehrung für die Goldmedaille im Gewichtheben das Bild seiner kürzlich bei einem Autounfall verstorbenen Frau hochhielt. Er weinte nicht, er ließ seine Frau im Paradies einfach an diesem glorreichen Moment teilhaben. In diesem Augenblick leuchtete die Liebe stärker als jedes Gold.
Mir gefällt diese schöne Verbindung von Liebe und Olympia, für mich ist dieser »Liebeskult« eine sehr behagliche Art von »Patriotismus«, er kommt von der Liebe zur Familie, zu einem geliebten Menschen, er spricht uns auch ohne großtuerisches Vokabular an. Wahrhaftig, auf dem Spielfeld herrschen eigene Regeln, die wir oft nicht verstehen. Aber Liebe, doch, die verstehen wir.
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