Sind wir nun gluecklich
Verbands, Hu Chunhua, nach Taiwan reiste.
Der Zeitpunkt der Reise war allerdings schlecht gewählt. Im Jahr zuvor hatte sich auf Taiwan ein entscheidender politischer Wechsel vollzogen, die Kuomintang (KMT), die Taiwan jahrzehntelang allein regiert hatte, war gestürzt worden, und Chen Shui-bian von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) hatte die Regierung übernommen. Damit kam es zu zusätzlichen Spannungen in den ohnehin kritischen Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße. Unter diesen Voraussetzungen stand unsere Reise unter einem schlechten Stern. Wie sollten wir den Leuten begegnen? Was tun, wenn man auf Plakate und Banner mit Reizthemen traf oder sich unangenehme Dinge anhören musste, reaktionäre Sprüche? Aufstehen und weggehen oder sich auf ernsthafte Debatten einlassen? Diese Herausforderungen beeinträchtigten mein »erstes Mal« auf Taiwan unvermeidlich.
Nervös und fremd
Die Anreise schien eine Ewigkeit zu dauern. Wir fuhren zuerst nach Shenzhen, von dort weiter nach Hongkong, und wir flogen dann nach Taipei. Aber die gefühlte Distanz war noch viel größer als die geografische.
In Shenzhen gab es zunächst ein Vorbereitungstreffen, auf dem uns eingetrichtert wurde, wie wir uns nach außen hin zu verhalten hätten, welche Regeln es einzuhalten galt und wie wir mit unerwarteten Situationen umgehen sollten und so weiter. Dieses Vorbereitungsseminar machte uns nur noch nervöser. Ursprünglich sollte es schließlich eine vergnügliche Reise werden. Da unser Ziel Taiwan war, hatten wir vor allem auch ein Gefühl von Wagemut.
Bei der Landung auf dem Taoyuan-Flughafen von Taipei klopfte mir das Herz schneller. Wie würde Taiwan uns empfangen, dieses mysteriöse Fleckchen Erde, das uns so nervös machte?
Am Flughafen begrüßte uns eine Vertreterin der Neuen Partei, 18 die damalige Parteigründerin Xie Qida, eine geradlinige und offene ältere Dame, die später wegen eines Rechtsstreits lange Zeit in der Volksrepublik verbrachte. Als wir ankamen, war sie in Hochstimmung, weil sie und ihre Partei sich anschickten, etwas Neues zu bewegen.
Mein erster Eindruck von Taiwan war, ehrlich gesagt: nichts Außergewöhnliches.
Die technologische Entwicklung auf dem Festland befand sich 2001 bereits auf der Überholspur, besonders was Flughäfen oder den Straßenbau betraf. Im Vergleich dazu nahm sich der lange Zeit gerühmte Taoyuan-Flughafen ziemlich rückständig aus. Die meisten Chinesen vom Festland würden sich wohl hinter vorgehaltener Hand zuraunen: »Jede mittelgroße Stadt Chinas hat einen imposanteren Flughafen als den hier, von Peking und Shanghai ganz zu schweigen …« Auch die Autobahn auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt beeindruckte nicht, vom »fortschrittlichen Taiwan« keine Spur.
Erst im Verlauf des Besuchs traten die Stärken und Schwächen Taiwans nach und nach etwas deutlicher zutage.
Zum Pflichtprogramm eines Taiwanbesuchs gehört für alle Chinesen der Sun Moon Lake in Yuchi. Ich erlaubte mir dort einen kleinen Scherz. Nachdem unser Boot schon ein Stück weit vom Ufer entfernt war, fragte ich: »Durch welche Mündung fahren wir denn jetzt zum Sun Moon Lake?«
»Das ist er schon«, antwortete einer der Mitreisenden. Ich hatte mir einen See von ungeheuren Dimensionen vorgestellt, der in meiner Fantasie erst durch diverse Mündungseingänge erreichbar war. Dabei war das, was ich für einen kleinen See hielt, der erst noch in den größeren mündete, schon der Sun Moon Lake selbst.
Dann ging es auf den Spuren von Tschiang Kai-shek zum Caoshan-Berg, anschließend in die Hutongs zur Bewunderung des poetischen Charmes der Kunst von Zhang Daqian 19 , es gab nicht besonders viel Platz, jedenfalls war alles kleiner, als ich erwartet hatte, immerhin, es war alles klein, aber fein. Unter diesen neuen Eindrücken verabschiedete ich mich schließlich von meinen vorgefertigten Vorstellungen von Taiwan und begann, das wirkliche Taiwan zu entdecken.
Wahrscheinlich geht es jedem Besucher vom Festland auf Taiwan genauso, jeder durchläuft diesen Prozess des Widerstreits der Wirklichkeit mit seiner ursprünglichen Idee von der Insel.
Politik und ein Becher Schnaps
Auf jeden Fall befand sich Taiwan damals in einem Zustand von großem politischem Enthusiasmus, es war, als ob jeder an der Politik teilhatte.
Schaltete man abends gegen 21.00 oder 22.00 Uhr den Fernseher ein, schien es nur ein Thema zu geben: »Politische Teilhabe« bzw. »Politische Diskussion«. Besonders freundlich
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