Sine Culpa
die Flüssigkeit einen immer größer werdenden Fleck auf den Teppich malte.
»Bist du noch dran? Ich muss wissen, ob du irgendwas mit dem Tod des Jungen zu tun hast?«
»Ja, ich bin noch dran. Das ist absoluter Unsinn. Herrgott, Mann, reiß dich am Riemen. Sag der Polizei nichts, ehe wir uns nicht unter vier Augen gesprochen haben. Wann geht das?«
»Die wollen mich eine Woche hierbehalten …«
»Ruf mich von einem Münztelefon an, sobald du aus dem Krankenhaus bist, dann vereinbaren wir ein Treffen.« Das Eis begann zu schmelzen. Es würde einen Wasserfleck hinterlassen. »Und ruf bis dahin nicht wieder an.«
Als er den Hörer auflegte, zitterte seine Hand. Er sollte einen Lappen holen und den Fleck wegwischen, aber er rührte sich nicht. Während er einerseits bedauerte, dass dieses einzigartige, kostbare Stück nun einen irreparablen Schaden hatte, überlegte er gleichzeitig, wie schnell er das alles hier hinter sich lassen und neu anfangen könnte.
Er löschte die Anrufe und nahm die Kassette aus dem Gerät, um sie zu vernichten. Die Gedanken in seinem sonst so kühlen und logischen Verstand überschlugen sich, während er über die möglichen Folgen nachdachte, die sich aus dem, was Maidment gesagt hatte, ergeben könnten. Den Eagleton-Jungen hatte er beinahe vergessen, ihn als dummen Anfängerfehler eingestuft. Paul dagegen war ihm in den letzten fünfundzwanzig Jahren nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Paul war in seinen Fantasievorstellungen der ideale Junge geworden. Und er hatte Paul immer für seine mögliche Nemesis gehalten. Nicht diesen albernen Malcolm, der sich als große Enttäuschung erwiesen hatte.
Er würde keinesfalls auf den Anruf der Polizei reagieren, ehe er nicht mit Maidment gesprochen hatte, aber er würde einen Grund brauchen, warum er sich nicht gemeldet hatte. Er war gerade erst von einem verlängerten Wochenende zurück. Vielleicht sollte er gleich wieder abreisen. Aber wohin? Ihm kam eine Idee, die ihm ein Lächeln entlockte. Sie würde ihm auf angenehme Art ein paar Tage Frist verschaffen.
Sein Entschluss stand fest, und er ging einen Lappen holen, um seinen kostbaren Teppich vielleicht doch noch zu retten.
32
Der tägliche Ablauf im Krankenhaus kam dem Major entgegen: Frühes Wecken, eine begrenzte Auswahl an nahrhaften Speisen ohne irgendwelche kulinarischen Experimente und Bettruhe zu einer passablen Uhrzeit. Es war fast wie in der Army, nur dass er hier keine anderen Aufgaben hatte, als wieder gesund zu werden. Natürlich störten die Besucher ein wenig, aber in den sechsunddreißig Stunden seit seiner Einlieferung hatten auch die sich in Grenzen gehalten.
Margaret Pennysmith hatte ihm einen prächtigen Blumenstrauß gebracht, den sie sich, wie er wusste, eigentlich nicht leisten konnte. Dennoch hatte ihn die Geste gerührt, und ihr Besuch war weit erfreulicher gewesen, als er sich das vor einem Monat noch hätte träumen lassen. Jetzt, wo sie ihn besser kannte, plapperte sie nicht mehr so gedankenlos drauf los. Zu seinem Erstaunen hatten sie zunächst über Politik gesprochen und waren dann nahtlos von einer Erörterung der anhaltenden Kämpfe im Nahen Osten zu seinen Erfahrungen in der Army übergewechselt. Sie war eine gute Zuhörerin. Als die Schwester kam und sagte, die Besuchszeit sei zu Ende, waren sie beide überrascht gewesen, und er ertappte sich dabei, dass er sie gern noch länger bei sich gehabt hätte.
Sie übergab ihm eine Karte mit den Genesungswünschen derjenigen Gemeindemitglieder, die noch an ihn glaubten. Es waren nicht viele Namen, aber immerhin hatte der Pfarrer unterschrieben, was bedeutete, dass er mit einem späteren Besuch von ihm rechnen konnte. Er hatte die Karte auf seinen Nachttisch gelegt, neben das Telegramm von seinem Sohn aus Australien. Vom Golfclub ließ sich niemand blicken. Das machte ihn zwar traurig, überraschte ihn aber nicht, und er gestand sich ein, dass er im umgekehrten Fall wohl ähnlich gehandelt hätte.
Die Ärzte hatten ihm die Polizei vom Leib gehalten, damit er wieder zu Kräften kommen konnte. Sie wollten ihn bis zu sechs Tagen hierbehalten, aber er fand das übertrieben, obwohl ihm derzeit davor graute, in sein Haus zurückzukehren. Margaret hatte ihm unverblümt gesagt, dass es verwüstet worden war. Sie und die Freunde, die ihn für unschuldig hielten, hatten versucht, es einigermaßen wiederherzurichten, aber einige Schäden waren nicht mehr zu reparieren.
Nein, er hatte es nicht eilig, nach Hause zu kommen.
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