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Sine Culpa

Titel: Sine Culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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braucht frisches Material, weil er jetzt, wo Joe weg ist, auf dem Trockenen sitzt, und er will nicht gehen, bevor ich ihn nicht mit einem Lieferanten in Kontakt bringe.«
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage!«, sagte Smith, wobei er sich anhörte wie ein strenger Schuldirektor, der mit einem unartigen Schüler schimpft. »Holen Sie Ball ans Telefon, sofort.«
    Alec Ball war ein schwieriger Mensch, brutal, aufbrausend, kein besonders heller Kopf. Diese Kombination machte es schwer, ihn zu kontrollieren, und Smith hatte es schon oft bedauert, sich je mit ihm eingelassen zu haben. Trotz seiner Vorwürfe gegenüber William wusste Smith, dass Härte bei Ball nicht ziehen würde. Er musste besänftigt und überredet werden, wie ein nur halb gezähmter Hengst.
    »Alec«, sagte er mit warmer, freundlicher Stimme, sobald er hörte, dass am anderen Ende der Leitung der Hörer entgegengenommen wurde. »Was machst du denn im fernen London, wo wir unser kleines Problem doch viel leichter hier vor Ort klären könnten?«
    Ball schwieg vor Verblüffung über Smiths Tonfall. Er hatte offensichtlich mit wilden Vorwürfen gerechnet. Trotzdem schwang eine gewisse Aufsässigkeit in seiner Antwort mit.
    »Es ist kein kleines Problem, Nathan, es ist ein verdammt großes. Ich hab Kunden, die ich beliefern muss, und wenn ich die enttäusche, geht mein Ruf den Bach runter. Und überhaupt«, fügte er noch hinzu, »du hast gesagt, ich soll dich nie direkt kontaktieren, immer nur über Joe.«
    Ja, dachte Smith, weil Joe diskret war und verschwiegen. Und selbst er hat sich nie mit mir persönlich getroffen – was auch gut so war, wie sich herausgestellt hat.
    »Tja, Joe ist weg, und du hättest wissen müssen, dass ich einen alten Kumpel nicht im Stich lasse. Aber es ist gut, dass du nicht direkt zu mir gekommen bist. Wir können uns trotzdem treffen, und ich bring dir was Gutes mit. Ich kenne da ein paar Leute …«
    »Genau das ist der springende Punkt, Nathan.« Balls Tonfall war drohend geworden. »In den letzten Jahren hast du es dir richtig gutgehen lassen. Du hast dir ein schönes Nest gebaut, und zwar auf dem Rücken von Leuten wie Joe und mir. Na ja, wenigstens hat Joe am Ende doch von dir profitiert. Wo der wohl auf einmal das viele Geld herhatte, um das Land zu verlassen?«
    »Und ich hab vorher dafür gesorgt, dass du das nötige Kleingeld hattest, um ihn aufzukaufen. Ehrlich gesagt, ich muss mich wundern, dass du sein ganzes Material schon durchhast. Soweit ich weiß, hatte er eine der größten Sammlungen im ganzen Land.«
    »Das nötige Kleingeld, von wegen! Du hast doch überdeutlich gemacht, dass es ein Darlehen war, Nathan. Das kann man ja wohl kaum als großzügig bezeichnen.«
    »Hab ich je auf Rückzahlung bestanden?« Er hatte es vorgehabt, aber ihm war bald klar geworden, dass Ball das Geld schneller in den Händen zerrann, als er es verdiente.
    »Nein, okay …«
    Smith spürte, dass Balls Wut, die von gekränktem Stolz und Trotz genährt worden war, verflog. Seine größte Stärke war die Fähigkeit, Menschen zu durchschauen, doch er wandte sie nur dann an, wenn es erforderlich war.
    »Okay, wann können wir uns treffen? Sagen wir morgen, sechs Uhr, an der Stelle, wo wir das Freudenfeuer gemacht haben?«
    »Warum denn ausgerechnet da?« Er hörte das Schaudern in Balls Stimme.
    »Weil man dort schön ungestört ist und ich nicht an Gespenster glaube.« Ha, jetzt musste Ball ja sagen, wenn er nicht wie ein Feigling aussehen wollte.
    Es wurde abgemacht. Smith ging zurück zu seinem kalt gewordenen Curry und kratzte das Essen angeekelt vom Teller in den Mülleimer. Er hatte noch Hunger, holte sich Käse und Kräcker aus dem Schrank und goss sich ein großes Glas eines besonders kräftigen Barbaresco ein. Er genoss den Charakter des Weins auf der Zunge, jung, weich, erlesen. Ganz nach seinem Geschmack.

TEIL VIER

September 1982
    Es war sehr dunkel in dem Keller, so dunkel, dass Paul die Hand vor Augen nicht erkennen konnte. Er wusste nicht, wie spät es war, und fragte sich, ob die normale Abendessenszeit schon vorbei war. Wenn ja, dann bedeutete das, dass Bryan gar nicht vorhatte, ihn rechtzeitig wieder nach Hause zu bringen, damit seine Eltern nichts merkten. Als wäre das überhaupt möglich, so wie er zugerichtet war. Er fror.
    Trotz der abendlichen Wärme draußen war es kalt in dem Kellerraum. Er musste sich einfach warm halten, bis Bryan kam. Paul versuchte, auf der Stelle zu hüpfen und zu laufen. Eine Weile

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