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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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durften. Wieso dies eigentlich so war, hatten selbst die eingefleischtesten Thespisjünger mit der Zeit vergessen, doch der seltsame Umstand eröffnete Cyprian die Möglichkeit, Leyser mit großer Wahrscheinlichkeit noch im Theaterfundus anzutreffen.
    »Ich danke Ihnen vielmals, wertes, gnädiges Fräulein«, säuselte er in virtuos beherrschtem Schönbrunner-Hof-Deutsch in den Hörer. Die Dame gluckste vor Vergnügen, als sie sich verabschiedete, und der Inspektor lächelte in sich hinein.
     
    Das riesige Gebäude am Ring, das dem Rathaus gegenüberlag, tat sich vor Cyprian von Warnstedt auf. Zielstrebig lenkte er seine Schritte über die belebte Straße und auf die von Schreyvogel und Burckhard zu hoher Blüte gebrachte Bühne zu. Über dem Haupteingang fiel ihm wieder einmal die ehrenvolle Aufschrift ›K. K. Hofburgtheater‹ ins Auge. Der Inspektor verweilte ein bisschen, um den Prunk des neubarocken Bauwerkes in sich aufzusaugen, das ihn stets aufs Neue faszinierte. Die Loggia über dem Mitteltrakt wurde von zwei seitlichen Flügeln eingerahmt, und das Zeltdach des Zuschauerhauses war bereits den Blicken entzogen, als Cyprian den Kopf hob: Viel zu hoch ragten die prächtigen Mauern empor.
    Die Fassade wurde von Porträtbüsten geschmückt, die Warnstedts Künstlerherz, das er im Verborgenen pflegte, höherschlagen ließen. Er war viel zu beschlagen in diesen Dingen, als dass er nicht einige der dargestellten Personen erkannt hätte. Hier sah er Schillers Lockenkopf, dort die markanten Züge Goethes. Dass ihm als Österreicher Grillparzers Konterfei ins Auge sprang, verstand sich von selbst. Er stieg die wenigen Stufen der Treppe hinauf und versuchte, am Haupteingang Einlass zu erhalten. Wie nicht anders zu erwarten, war das Portal verschlossen. Der Inspektor trat deshalb einen Rundgang an, der ihn zum rechten Seitenflügel führte, vorbei an allegorischen Darstellungen, welche die Liebe und den Hass, den antiken Heroismus und die Demut darstellten. Als er das Gebäude beinahe zur Hälfte umrundet hatte, kam Warnstedt zu einer Art Lieferanteneingang.
    Es war eine unscheinbare Pforte, deren Tür geöffnet war. Dicht davor stand ein Fuhrwerk, auf dessen Ladefläche Cyprian bemalte Kulissenteile erkannte. Hin und wieder traten Handwerker aus dem Gebäude, griffen nach den Dekorteilen und verschwanden damit ins Innere des Theaters. Der Inspektor folgte den Männern. Er trat in einen schlecht ausgeleuchteten Gang, an dessen Ende zwei Stiegen abzweigten. Instinktiv nahm er die Treppe, die abwärts führte, und gelangte in eine weitaus großflächigere Räumlichkeit, die hell erleuchtet war. Das Gemäuer, das an ein Kellergewölbe erinnerte, war trocken und stabil, der Raum gut durchlüftet. In einer Ecke wurde gemalt und gepinselt, in einer anderen gesägt und gehämmert. »Kurt Leyser?«, hielt Warnstedt einen der Arbeiter an.
    »Weiter hinten. Fast am Ende des Raumes.«
    Der Inspektor bedankte sich und schlängelte sich durch den Theaterfundus. Er kam an Beschäftigten vorüber, die zerschlissenes Dekor ausbesserten, Kostüme nähten oder anderweitig zu Werke gingen. Alles verlief irgendwie geordnet. Jeder Handgriff saß, jeder wusste, was zu tun war. Wie die kleinen Zahnräder einer gut geölten Maschinerie griff alles ineinander. Cyprian wich einigen Möbelpackern aus, die eine Chaiselongue trugen, bückte sich unter einem Dutzend Berlichinger Ritterrüstungen hindurch, die von der Decke hingen, und machte einen Bogen um ein Fass voller Lanzen, die wohl nur Wallenstein’schen Kürassieren gehören konnten. Warnstedt atmete den Duft der Bretter, die die Welt bedeuten. Alles war so lebendig, so beseelt vom Geist der großen Dramatiker.
    »Herr Leyser?«, rief er mehrmals in den Raum. »Kurt Leyser?«
    Ein Mann mittleren Alters, der gerade an einer Armbrust hantierte, hob den Kopf. »Was gibt es?«, erkundigte sich dieser. Mit einem kurzen musternden Blick schätzte der Polizist Größe und Gewicht des Mannes ein. Sie waren beide in etwa gleich groß, doch sein Gegenüber hatte noch kein Bäuchlein angesetzt wie er selbst.
    Er trat auf ihn zu. »Sie sind Herr Leyser?«, wollte er sich vergewissern.
    Der Mann nickte einnehmend. »Ja, wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Mein Name ist Cyprian von Warnstedt.« Er zeigte ihm seinen Dienstausweis. »Ich bin hier, um Sie über die betrübliche Causa Fichtner zu befragen.«
    »Cyprian«, wiederholte Leyser in gefälligem Ton. »Einer der Serapionsbrüder also.«
    Warnstedt kam

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