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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete ihre Kundin. »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber kannst du ein solches Kleid überhaupt bezahlen?«
    Lina zuckte fast unmerklich zusammen. »Ja, aber noch nicht gleich. Brauchst du das Geld sofort?« Sie errötete.
    Emilie schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein. Lass dir Zeit. Ich mache das doch gern für dich.«
    »Danke. Ich weiß das zu schätzen.«
    »Wann brauchst du das Kleid?« Die Schneiderin begann, ihre Utensilien zu ordnen, legte die große Schere an den Rand des Tisches, holte eine Kiste mit Fäden und Nadeln von einem Brett an der Wand und stellte sie daneben.
    »Schon am Sonntag. Ist das ein Problem für dich?«
    Emilie starrte sie entgeistert an. »Übermorgen? Das ist allerdings sehr kurzfristig.« Sie überlegte. »Aber wenn ich Tag und Nacht daran arbeite, könnte ich es schaffen.«
    Mit einer einnehmenden Geste der Dankbarkeit drückte Lina Emilies Hand und überreichte ihr dabei einen kleinen Zettel. »Leider muss ich jetzt gehen. Hier – ich habe dir meine Maße bereits aufgeschrieben. Ach, ich freue mich schon sehr auf den Moment, wenn ich es zum ersten Mal anprobieren kann.«
    Die Schneiderin betrachtete ihre Kundin leicht irritiert. Sie konnte nicht verstehen, wie man sich darauf freuen konnte, ein Trauergewand anzuziehen. Besonders, wenn die Beerdigung diejenige des eigenen Mannes war. Doch sie dachte nicht weiter darüber nach und verabschiedete sich freundlich: »Auf Wiedersehen, Lina. Komm einfach einmal vorbei und schau, wie weit ich bin, in Ordnung?«
    Lina nickte. »Sehr gern. Und nochmals vielen Dank.« Lächelnd winkte sie Emilie zu, als sie die Schneiderei verließ und in den Regen trat, der sich in der Zwischenzeit verstärkt hatte. Sie zog den Mantel enger um sich, da es schon merklich kühler geworden war. Nicht mehr lange und der Winter würde Einzug halten und die Stadt mit seinem prächtigen Weiß bedecken.
    Emilie blieb an der Tür stehen und schaute Lina, die schnellen Schrittes die Straße entlangging, kopfschüttelnd nach. Schließlich zuckte sie mit den Achseln, begab sich zurück in ihr Atelier und machte sich an die Arbeit.

13. Kapitel
    Warnstedt war erleichtert darüber, dass ihn Robert nicht auf den entwendeten Brief aufmerksam gemacht hatte. Er glaubte nicht, dass dem Sektionsrat dies einfach entfallen war; dieser war intelligent genug, den Verbleib des Schreibens zu erahnen. Vielmehr war er wohl ein Gentleman, der seinem ehemaligen Arbeitskollegen zugestand, das Gesicht zu wahren und nicht als gemeiner Dieb dazustehen. Als er den Weg zur k. k. Gendarmerie Wien eingeschlagen hatte, überlegte sich Cyprian denn auch, im Laufe der nächsten Tage Fichtner aufzusuchen, um das Schriftstück wieder irgendwo in der Wohnung zu deponieren. Wenigstens der Schein sollte gewahrt bleiben. Unter diesen und ähnlichen Gedanken ließ er sich in einer Trafik zwei Leberkäsesemmeln als Wegzehrung einpacken und spazierte kauend durch die Gassen. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt, als er die Gendarmerie erreichte.
    Der Inspektor hatte erwartet, seine beiden Untergebenen allein anzutreffen. Doch als er gegen 14 Uhr sein Büro betrat, erblickte er nebst Werlhoff und Kronenfeldt auch noch seinen Vorgesetzten Camillo Windt, der in angenehmer Plauderstimmung war. Der Oberkommissar lächelte freundlich und meinte: »Ah, Warnstedt, Sie habe ich gesucht.«
    Cyprian schloss die Tür hinter sich und sah ihn erwartungsvoll an.
    »Wieder ein Rauschen im Blätterwald«, eröffnete Windt seine Rede. »Die nimmermüde Fama flattert in der Stadt herum. Es geht das Gerücht, in der Causa Fichtner handle es sich um Mord. Nun, die Spatzen pfeifen es jedenfalls von den Dächern, und im Handumdrehen wird es in aller Munde sein. Tatsache ist, dass ich seit heute Morgen unentwegt von den lieben Schreiberlingen malträtiert werde. Mal telefoniert mir diese Zeitung, mal jenes Blatt; und alle wollen sie wissen, weshalb wir so untätig bleiben.«
    »Ich gehe den Weg, der uns von Amts wegen vorgegeben ist«, konstatierte Warnstedt trocken.
    »Ich mache Ihnen auch keinen Vorwurf. Ich will nur wissen, was der Stand der Dinge ist und was ich beim nächsten Anruf mitteilen kann.«
    »Es war wohl Mord«, erklärte der Inspektor. »Ich komme eben vom Alsergrund. Der offizielle Bericht wird uns Haberda noch heute zukommen lassen. Was die Ermittlungen betrifft, so haben wir natürlich schon begonnen. Das können Sie den Leuten von der Presse auch

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