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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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Brieftasche. Nun hieß es, sich den direkten Fragen zuzuwenden.
    »Erkennen Sie diesen Mann?«, fragte er innerlich ungeduldig.
    Sehlen schüttelte den Kopf. »Den habe ich noch nie gesehen. Wer ist das?«
    »Das tut nichts zur Sache«, meinte der Sektionsrat in einem Ton, der derart rüde war, dass er ihn noch im selben Augenblick bereute. Er hüstelte verlegen, bevor er erklärte: »Ich dachte nur, das wäre die Person gewesen, welche neulich für das Kriegsministerium ein Kassenbuch bestellt hatte.«
    »Warum fragen Sie denn nicht gleich danach?«, wollte der Buchbinder wissen. »Diese Antwort kann ich Ihnen mit Leichtigkeit geben.«
    »Dann los«, sagte Robert aufgeregt. »Raus mit der Sprache.«
    Der Name, den Sehlen ihm nannte, fügte das ganze Geschehen schließlich zusammen; und obgleich es lediglich ein Name war, so bedeutete er ein untrügliches Indiz, das dem ganzen Fall eine andere Wendung gab.
     
    Sobald er daheim angekommen war, versuchte Fichtner, mit Cyprian von Warnstedt Kontakt aufzunehmen. Er ließ sich verbinden und musste es ganze 20 Mal klingeln lassen, bis der Inspektor endlich den Hörer abnahm. Mit gehetzten Worten erbat sich der Sektionsrat Auskunft darüber, wie man am Abend zum Empfang der galizischen Gesandtschaft geladen werden könnte.
    »Nun mal langsam, Robert«, versuchte ihn Warnstedt zu beruhigen. »Sag mir doch erst einmal, was du da eigentlich willst.«
    »Lina und dieser Schrader werden dorthin gehen«, erklärte er. »Ist das nicht seltsam genug?«
    »Und deshalb willst du ebenfalls vor Ort sein? Glaubst du nicht, dass du dich auf irgendwas versteifst?«
    »Ich denke eben anders in dieser Hinsicht. Gib schon zu, dass deine Truppe auf der Stelle tritt. Welche Verdächtigen könnt ihr denn vorweisen?«
    Innerlich hörte er den Beamten schon seinen Namen sagen, doch Warnstedt hielt sich zurück. »Deine Schwägerin ist Witwe«, meinte dieser lediglich. »Sie braucht vielleicht ein wenig Abwechslung. Das ist nur natürlich.«
    »Als hoher Inspektor kannst du deinen gesellschaftlichen Status ausspielen«, insistierte Fichtner, ohne auf die Einwände einzugehen. »Dass wir nicht geladen sind, wird überhaupt nicht auffallen.«
    »Wir?«
    »Ja, du und ich«, bestätigte der Sektionsrat. »Ich verspreche dir einen erinnerungswürdigen Abend. Wollen doch mal sehen, wie sich die Lina, die ja angeblich so bedürftig ist, an den Spieltischen vergnügt.«
    Am anderen Ende der Leitung hörte er seinen alten Arbeitskollegen tief durchatmen. Der Köder war ausgelegt. Wie er Cyprian einschätzte, konnte sich das Arbeitstier in ihm nicht zurückhalten, wenn sich die Möglichkeit einer unauffälligen Observation bot.
    »Es sind Spieltische aufgestellt?«, fragte er nach.
    Fichtner bestätigte es ihm.
    Jedermann wusste, dass Glücksspiele verboten waren. Der berühmte, vielfach zitierte Paragraf 522 des Strafgesetzbuches von 1852 regelte noch immer diesen Aspekt des Rechtes. Doch wusste auch jeder, dass Spielschulden weder zivil- noch strafrechtlich einklagbar waren. Dass ein ausländischer Attaché, der ohnehin nicht rechtlich belangt werden konnte, ein inoffizielles Spielkasino besitzt, war bezeichnend für die Diskrepanz zwischen den Rechtsnormen.
    »Nun gut«, meinte Warnstedt endlich, »ich sehe mal, was sich machen lässt. Falls ich nichts von mir hören lasse, werde ich gegen 19 Uhr bei dir vorfahren. Halte dich bereit.«

24. Kapitel
    Mit klopfendem Herzen näherte sich Gustav dem Gartentor des Hauses und drückte es auf. Als er die Stufen zur Veranda überwunden hatte und vor der Haustür stand, musste er erst mehrmals durchatmen, bevor er sich dazu durchrang, an der Klingelschnur zu ziehen. Unvermittelt zuckte er zusammen, als der laute Ton der Glocke durch das Gebäude hallte.
    Wissel nahm den Hut vom Kopf und drehte ihn unaufhörlich in den Händen. Das quälende Warten erhöhte seinen Puls; die nur schwach schwelende Hoffnung in ihm wurde abwechselnd von Resignation niedergeschmettert und von Zuversicht genährt. Das dunkle und stille Haus der Fichtners ängstigte den schmächtigen Mann, doch der Schauder, der ihm unablässig den Rücken hinunterlief, hatte auch etwas Erregendes und Verlockendes.
    Endlich wurde die Tür in ungestümem Schwung geöffnet. Lina stand strahlend vor ihm. Die nussbraunen Haare hatte sie hochgesteckt, und nur einzelne Strähnen fielen ihr kringelnd auf die Schultern. Ihr Haupt zierte ein dunkelblauer Hut, auf dem eine zarte Blüte thronte. Das Kleid, das

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