Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt
aufgenommen werden. Aber das macht schön warm, das Hühnerfleisch ist zart. Und der Laden ist immer voll.
Zum wiederholten Mal fragte ich mich: Was wollen all die Menschen eigentlich hier? Warum essen die nicht in Köpenick oder Barnim oder wo sie sonst herkommen? Da gibt es doch bestimmt auch schlechte Asiaten. Dafür muss man doch nicht anderen die Plätze wegnehmen. Dies ist mein Bezirk, und infolgedessen sind das alles auch ein bisschen meine Restaurants. Die anderen gehen auswärts essen, ich aber muss mich hier ernähren.
Warum gibt es nicht längst Anwohner-Essen? Das funktioniert ähnlich wie Anwohner-Parken. Die Hälfte der Restaurantplätze müsste für uns Einheimische reserviert sein. Es könnte Anwohner-Menüs geben. Ein bisschen billiger, dafür wären die Portionen größer. Jeder Barnimer, der sich auf einen der Anwohner-Plätze setzt, wird sofort abgeschleppt. In den Cafés gibt es eine Schlange für Touristen, eine für Anwohner. Die Touristen kommen ohnehin nur einmal, da können sie auch das Croissant von gestern bekommen. Und das auch nur, wenn sie das Wort Croissant ordentlich buchstabieren können. Wir aber sind täglich da. Uns muss man jeden Tag aufs Neue anfüttern. Und zwar qualitativ hochwertig. Dann kann man sich auf uns verlassen, auf uns Stammgäste.
An jenem Abend beim Asiaten erzählte mein Bekannter mir, dass er einst als Kind Guppys in einer Brotbüchse gehalten habe, weil seine Familie sich kein Aquarium leisten konnte. Irgendwann schwammen sie alle bäuchlings oben. Er hat die Brotbüchse dann wieder für seine Käsestullen benutzt.
Ich glaube, das ist es, was meine Katzen sagen wollen, wenn sie der Katzenflüsterin erzählen, mein Bekannter sei seltsam. Ausgerechnet Guppys!
Hier schließt sich ein Kreis. Forscher haben herausgefunden, dass Guppyweibchen lieber in tiefere Gewässer abtauchen und direkt ihren Fressfeinden in den Rachen schwimmen, als sich im flachen Wasser mit einem zudringlichen Guppymännchen abzugeben, das ihnen nicht gefällt. Also einen Bart hat oder Nasenhaare. Die Guppys, so schrieben die Wissenschaftler der Universität Exeter, nähmen also ein höheres Sterberisiko in Kauf, um weniger sexuell belästigt zu werden. Dieses Verhalten sei bei den Guppys Poecilia reticulata erstmals nachgewiesen worden.
Diese tapferen kleinen Guppymädchen.
Die würden nicht stundenlang am Tisch sitzen bleiben, wenn ein befreundetes Pärchen sie mal wieder mit einem seiner Restposten verkuppeln will. (»Wieso, ihr seid doch beide so einsam und verzweifelt. Das passt doch.«) Sie würden einfach abtauchen. Rausgehen trotz all der Fressfeinde, die dort lauern und nur darauf warten, dass ein Guppymädchen in ihrer Butterbrotdose landet.
Falsche Brüste wippen nicht
Die Ferien sind vorbei. Zeit für den guten alten Aufsatz: Hier ist er. »Mein schönstes Ferienerlebnis«. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht beginne ich mit dem Saunadorf irgendwo an der polnischen Grenze. Eines Tages sagte mein Bekannter: »Du bist müde, du brauchst Wellness.«
Wellness! Das sind weiche, flauschige Bademäntel, Walgesänge vom Band, Duftkerzen. Das ist jemand, der sanft Masken ins Gesicht klopft und Fingernägel so lange poliert, bis sie mit den Augen um die Wette glänzen. Wellness ist, als würde man sich endlich in eine dieser weichen Wolken legen dürfen, die man vom Flugzeug aus sieht.
Für meinen Bekannten ist Wellness ein Saunadorf im Brandenburgischen. Und vor allen Dingen Rico. Rico, der Aufgießer. Rico, der bei den nationalen Saunaaufguss-Meisterschaften fünftbester Aufgießer geworden ist. Rico kann Dinge, die ich nicht kann. Zum Beispiel hat Rico meinen Bekannten in einer Blockhütte zu Klängen von Ivan Rebroff mit Birkenzweigen ausgepeitscht. Meinem Bekannten hat das gut gefallen. Und nicht nur ihm: Es war sehr voll, als Rico der Aufgießer zum Birkenritual rief.
Überall Nackte. Gibt es eigentlich irgendein Gebot in der Saunabibel, das Männern vorschreibt, sich dort immer und unter allen Umständen breitbeinig hinzusetzen? Ist das sonst ungesund? Gehört das irgendwie zum Verhauenwerden mit Zweigen dazu? In der Sauna erfährt man Dinge, die man einfach nicht wissen will. Sie zeigt den Menschen nackt. Und ich meine wirklich nackt.
Der Brandenburger redet nicht viel in der Sauna. Das ist auch nicht nötig, dafür hat er seine Tattoos. Sie sind voller hübscher Einfälle (Sensenmann ohne Kopf breitflächig über den Rücken, Spinnennetz über dem
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