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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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davon ab und
stopfte sie sich in den Mund. Sein Bart juckte heftig, er hatte seit
Tagen nicht gebadet und, was am schlimmsten war, allmählich das
Gefühl, Siebente Schwester zu verstehen. (Niemand sollte eine
Kritikerin verstehen müssen, es war eine grausame,
ungewöhnliche Strafe.)
    Über ihm flammte ein heller grüner Schein auf, der den
Eingang der Hütte in grelles Licht tauchte und auch deren
schmutzige Winkel erfasste. »Achtung! Sie sind in ein Gebiet
vorgestoßen, das unter Quarantäne steht! Weisen Sie sich
sofort aus!« Das tiefe Brummen des Basses erschütterte
Burija bis in die Knochen. Er duckte sich, blinzelte und ließ
dabei seine Frühstückswurst fallen.
    »Warum du antwortest denen nicht?«, fragte Siebente
Schwester, die sich seltsamerweise nicht aus der Ruhe bringen
ließ.
    »Ihnen antworten?«
    »ACHTUNG! Sie haben dreißig Sekunden, den Befehl zu
befolgen!«
     
    Als die Hütte zu beben anfing, geriet Burija ins Stolpern, da
er auf die Wurst getreten war. Außer sich vor Wut taumelte er
auf den Eingang zu.
    »Hören Sie sofort mit dem Radau auf!«, brüllte
er und schwang die Faust in die Luft. »Kann ein Mann nicht
einmal mehr in Ruhe frühstücken, ohne dass ihr stört,
ihr widerlichen Schurken? Unzivilisierte Idioten, soll euch doch die
Hure des Herzogs vor den Koffer pinkeln, wenn sie’s nicht mehr
halten kann!« Unverzüglich wurde das Licht abgeblendet.
    »Ups, Entschuldigung«, sagte die dröhnende
Stimme. Und gleich darauf in moderaterem Ton: »Bist du das,
Genosse Rubenstein?« Mit offenem Mund starrte Burija auf den
smaragdgrünen Diamanten, der über ihm schwebte, und blickte
dann nach unten. Auf der Straße vor ihm stand einer von
Timoschewskis Wachsoldaten – allerdings nicht in der Form, in
der Burija ihn aus Nowyj Petrograd kannte.
     
    Angespannt und nervös saß Rachel auf ihrem Bett. Sie
achtete gar nicht auf das Klopfen, Scheppern und die gelegentlich
nervenden Schläge, die vom Heckschott herüberdrangen,
sondern versuchte verzweifelt, einen klaren Kopf zu bekommen. Sie
musste mehrere schwierige Entscheidungen treffen. Wenn sie die
falsche traf, würde Martin mit Sicherheit sterben – und sie
vielleicht mit ihm. Möglicherweise würde sie auch –
was noch schlimmer wäre – vorzeitig die Nerven verlieren
und sich damit jeder Chance berauben, ihre wirkliche Mission
durchzuführen. Was es für sie noch schwerer machte,
nüchtern nachzudenken, ohne sich von Sorgen übermannen zu
lassen.
    Vor dreißig Minuten hatte ein Vollmatrose an ihre Tür
geklopft. Hastig hatte sie ihr Hemd zugeknöpft und aufgemacht.
»Leutnant Sauer lässt grüßen, Madam. Ich soll
Sie daran erinnern, dass das Kriegsgericht heute Nachmittag um
vierzehn Uhr zusammentritt.«
    Sie hatte geblinzelt, ohne irgendetwas zu begreifen. »Welches
Kriegsgericht?«
    Der Matrose hatte verwirrt ausgesehen. »Ich weiß es
nicht, Madam. Er hat mir nur aufgetragen, Ihnen zu
sagen…«
    »Ist schon in Ordnung. Gehen Sie.«
    Nachdem er gegangen war, hatte sie hastig ihre Stiefel angezogen,
sich gekämmt und war jemanden suchen gegangen, der Bescheid
wusste.
    Kommandeur Murametz hielt sich in der Offiziersmesse auf, wo er
Tee trank. »Was ist das für ein Gerede über ein
Kriegsgericht?«, erkundigte sie sich.
    Er sah sie mit unbewegter Miene an. »Oh, nichts Wichtiges.
Geht nur um den Ingenieur, der unter Arrest steht. Können ihn
nicht an Bord lassen, wenn wir ins Gefecht ziehen. Deshalb hat der
Alte für heute Nachmittag eine Anhörung angesetzt, damit
wir die Sache aus dem Weg haben.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte sie mit eisiger
Stimme.
    »Können den ja nicht einfach so exekutieren, ohne ihm
vorher einen fairen Prozess zu machen«, erwiderte Ilja, der sich
kaum Mühe gab, seine Verachtung zu verbergen. Er stellte sein
Teeglas mit heftigem Ruck neben dem Samowar ab. »Die Verhandlung
findet heute Nachmittag genau in diesem Raum statt. Wir sehen
uns.«
    Als Nächstes wurde ihr bewusst, dass sie wieder in ihrer
Kabine war. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wie sie hierher
gekommen war. Ihr war kalt und übel. Sie wollen Martin
umbringen, wurde ihr klar. Weil sie mir auf keine andere Weise
etwas wollen können. Sie verfluchte sich selbst für die
eigene Dummheit. Wer steckte dahinter, wie viele Feinde hatte sie
sich gemacht? War es der Admiral? (Das bezweifelte sie. Er brauchte
keine offizielle Gerichtsverhandlung, wenn er jemanden
erschießen lassen wollte.) Oder Ilja – ja, das war einer,
der etwas gegen

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