Sinnlicher Maskenball in Venedig
darüber lustig, dass ihr Körper sie jedes Mal verriet, wenn er in ihrer Nähe war.
„Das war eigentlich ironisch gemeint“, verteidigte sie sich.
Seine Augen funkelten. „Das war mir klar. Ich habe auch bloß ausgesprochen, was du denkst.“
Sie schwiegen, als das Essen serviert wurde. Es gab Antipasti, extra dünne Spaghetti mit einer köstlichen Sauce, gebratenen Fisch und verschiedene Käsesorten. Nico füllte Tina auf und goss ihr etwas Wasser nach.
Sie wartete, während er sich Essen nahm. Bis er innehielt und sie stirnrunzelnd ansah.
„Iss, Valentina.“
„Mache ich ja gleich“, verteidigte sie sich. „Ich warte bloß auf dich.“
„Du musst nicht warten.“
„Das ist aber nicht sehr höflich.“
„Du musst auch nicht immer höflich zu mir sein. Iss einfach.“
Zögernd spießte sie eine Olive auf. „Alle nennen mich Tina“, murmelte sie. „Du kannst mich auch so nennen, wenn du magst.“
„Wenn es dir lieber ist.“
Sie zuckte die Schultern. „Eigentlich ist es mir egal. Aber so nennen mich alle meine Freunde.“
Nico zog eine Augenbraue hoch, und sie musste unwillkürlich daran denken, dass er etwas Diabolisches hatte.
„Sind wir denn Freunde?“
„Wohl kaum“, beeilte sie sich zu versichern. „Aber jedes Mal, wenn ich den Namen Valentina höre, denke ich automatisch, dass es Ärger gibt.“ Sie aß eine weitere Olive und seufzte. „Andererseits stimmt das ja auch, wenn man an unsere verfahrene Situation denkt.“
„Ach ja?“
„Na ja …“, überlegte sie. „Heute Morgen war ich noch in Rom und hatte vor, nach Capri zu fahren. Das hier ist nicht Capri. Also?“ Vorwurfsvoll sah sie ihn an.
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist viel besser als Capri. Und viel exklusiver.“
Tina führte eine Gabel Pasta an den Mund. Es war köstlich. Es tat so gut, mal wieder festes Essen zu sich zu nehmen, nachdem sie die letzten Tage fast ausschließlich von Suppe und Keksen gelebt hatte. Eine leichte Brise wehte vom See zu ihnen herüber, und sie war froh, dass sie ihre Strickjacke übergezogen hatte.
„Bist du hier aufgewachsen?“, fragte sie nach einer Weile.
„Nein.“
„Deine Familie hat sicher mehrere Häuser.“
„Ja.“
„Wo hast du am liebsten gewohnt?“, erkundigte sie sich, überrascht, weil Nico mit einem Mal so wortkarg war. Bis ihr klar wurde, dass sie offensichtlich ein Thema angesprochen hatte, über das er nicht gern sprach. Sie verstand nicht so recht, warum. Schließlich hatte er als Kind alles gehabt, was er sich nur wünschen konnte. Sie hingegen hatte mit ihrer Mutter und Renzo in irgendwelchen Hinterhöfen in winzigen Apartments wohnen müssen.
„Ich habe keinen Lieblingsort“, gab Nico knapp zurück. „Die meiste Zeit habe ich sowieso im Internat verbracht.“
Mitfühlend sah Tina ihn an. Das Leben im Internat war kein Zuckerschlecken. Davon konnte sie ein Lied singen. Andererseits kam er aus einer Adelsfamilie. Er hatte es sicher viel leichter mit den anderen Kindern gehabt als sie.
„Ich auch“, erklärte sie. „Ich war seit meinem fünfzehnten Lebensjahr im Internat. Eigentlich habe ich mich damals noch viel zu jung gefühlt, um so weit weg von meiner Familie zu sein.“
Nico betrachtete sie aufmerksam und trank einen Schluck Wein. „Ich bin schon mit sechs ins Internat gekommen. Bis ich siebzehn war, bin ich nur in den Ferien nach Haus gekommen.“ Er zuckte die Schultern. „Deswegen habe ich auch kein Lieblingshaus. Ich habe viel mehr Zeit in der Schule verbracht als hier oder auf einem der anderen Gavretti-Anwesen.“
„Das wusste ich nicht“, sagte sie betroffen. „Das tut mir sehr leid.“
Sein Blick war hart. „Das braucht dir nicht leidzutun. Ich habe eine hervorragende Ausbildung genossen. Und hatte dadurch die einmalige Chance, eine der besten Universitäten zu besuchen.“
„Und die Sommer mit Renzo in der Garage zu verbringen“, fügte sie hinzu.
„Genau.“
Tina warf Nico einen prüfenden Blick zu. „Hast du die Zeit mit uns denn wenigstens genossen? Ich hatte eigentlich immer das Gefühl, dass du glücklich bist … Aber ich war damals ja auch noch jung.“
Sie war unsicher, ob sie sich zu weit vorgewagt hatte. Doch er blickte bloß zu den Felsen hinüber und schwieg eine Weile.
„Ja, ich war glücklich“, antwortete er schließlich. „Ich bin völlig darin aufgegangen, den Prototyp mit Renzo zu bauen.“
„Und trotzdem hast du uns verlassen. Und Renzo spricht nicht mehr mit dir. Was ist damals
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