Sinnlicher Maskenball in Venedig
versuchte, sich nur auf ihre Atmung zu konzentrieren.
Dann wanderten ihre Gedanken wieder zu Renzo. Wenn sie ihm durch ihre Heirat ersparen konnte, dass Nico D’Angeli Motors zerstörte, blieb ihr keine Wahl. Dann musste sie Nico heiraten.
Das Sonnenlicht schien warm zwischen den Weinranken über der Laube hindurch. Die zarten hellgrünen Blätter sorgten für ein gedämpftes Licht. Es hatte etwas sehr Beruhigendes, hier zu liegen, in dieser grünen Höhle, weit weg vom Rest der Welt. Schläfrig sah sie hinaus in den Garten mit seinem bunten Blumenmeer und den unzähligen exotischen Bäumen. Es gab sogar ein Wäldchen mit Oliven- und Zitronenbäumen.
Irgendwann fielen ihr die Augen zu. Als sie aufwachte, fröstelte sie. Die Sonne war weitergezogen, und die Laube lag im Schatten. In den Bäumen zwitscherten die Vögel. Aus der Ferne drang das Geläut von Kirchenglocken aus einem der Dörfer am Seeufer zu Tina herüber.
Sie hatte von Nico geträumt. Von dem Nico, der vor vielen Jahren mit Renzo in der Garage herumgebastelt hatte. Er hatte so viel gelacht damals. Er hatte schon immer Ecken und Kanten gehabt, aber er hatte nicht so furchteinflößend gewirkt wie heute.
Inzwischen war sie vollkommen davon überzeugt, dass er vor nichts zurückschrecken würde. Er würde über Leichen gehen, um zu bekommen, was er wollte.
„Du hast Giuseppe einen ganz schönen Schrecken eingejagt“, erklang mit einem Mal eine Stimme. „Er hat dich überall gesucht.“
Tina fuhr zusammen und sah sich um. Der Mann, von dem sie geträumt hatte saß ihr gegenüber in einem der Sessel. Sein forschender Blick rief bei ihr ein sehnsüchtiges Prickeln hervor und machte ihr gleichzeitig Angst.
„Tut mir leid“, gab sie zurück. „Ich bin wohl eingeschlafen.“
„Das habe ich gemerkt.“
Langsam setzte sie sich auf und streckte sich wie eine Katze, die gerade aus tiefstem Schlaf erwacht war. „Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte. Es war so warm und gemütlich hier, dass ich die Augen gar nicht offen halten konnte.“
Nico ließ den Blick durch die nunmehr dunkle Laube schweifen. Erst jetzt wurde Tina bewusst, dass sie hier ganz für sich waren. Man musste schon direkt vor der Laube stehen, um zu sehen, dass jemand darin saß.
Kein Wunder, dass Giuseppe sie nicht hatte finden können. Er tat ihr fast ein wenig leid. Der kleine Mann war von Anfang an so unglaublich freundlich zu ihr gewesen. Er hatte ihr die ganze Zeit das Gefühl gegeben, dass sie hier willkommen war. In seiner Gegenwart fühlte sie sich immer wie ein Gast, nicht wie eine Gefangene.
„Ja, das hier ist ein wunderbarer Ort für einen Mittagsschlaf“, murmelte Nico versonnen. „Ich erinnere mich, dass ich hier mal als kleiner Junge eingenickt bin.“
Tina musste lächeln, als sie sich vorstellte, wie er wohl als Kind gewesen sein mochte. Sicher hatten seine Eltern sich wahnsinnige Sorgen gemacht, als er plötzlich verschwunden war. Oder hatten sie gewusst, dass er öfter hierherkam, und ihn schlafen lassen?
Sein Blick war abwesend. Er schien über irgendetwas nachzudenken. „Es ist Zeit, Tina“, sagte Nico dann.
Nervös schluckte sie. „Zeit für was?“
Er vermied es sie anzusehen. „Zeit, eine Entscheidung zu treffen.“
Ihr Herz schien kurz auszusetzen. Und plötzlich musste sie an das Frühstück denken.
„Wer war die Frau, mit der du heute Morgen telefoniert hast?“, erkundigte sie sich ärgerlich.
Seine Augen wurden dunkel. Fast glaubte sie, er würde nicht antworten. Und dann überraschte er sie.
„Meine Mutter. Wir hatten einen Streit.“
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Seine Mutter also. Keine Geliebte, wie sie angenommen hatte. Damit hatte sie nicht gerechnet.
„Tut mir leid“, murmelte Tina schließlich und sah zu Boden. „Es geht mich ja eigentlich gar nichts an.“
Sie spürte, wie Nico sie beobachtete.
„Ich verstehe, dass du es wissen wolltest“, beruhigte er sie. „Du hast mich mit einer Frau streiten hören. Du hast mitbekommen, wie ich ihre Anrufe ignoriert habe. Und dann frage ich dich, ob du mich heiraten willst. Es ist dein gutes Recht, unter den gegebenen Umständen neugierig zu sein.“
„Na ja“, warf sie ein und begegnete seinem Blick, „gefragt hast du mich ja eigentlich nicht. Du zwingst mich dazu.“
Nico sah so gut aus, wie er da lässig vor ihr auf dem Sessel saß mit seinen langen Beinen, einen Arm über die Lehne gelegt. Er trug dunkle Jeans und ein weißes Hemd, das er oben offen
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