Sinnliches Erwachen
umbringen, während er auf Kaution draußen war. Ja, du hast richtig gehört. Wir haben tatsächlich einen kaltblütigen Mord geplant. Wir waren so wütend, so verletzt. Wir haben uns gedacht, wir sterben sowieso, und zu jenem Zeitpunkt wollten wir sogar sterben. Also warum nicht, stimmt’s?“
Schweigend hörte Koldo zu, und Grauen verdrängte seinen Zorn.
Leise fuhr sie fort: „Seine Frau hat uns die Tür aufgemacht. Sie hatte ihre kleine Tochter auf dem Arm. In diesem Moment ist uns klar geworden, dass wir den beiden nicht dasselbe Leid zufügen könnten, wie er es uns zugefügt hat.“
Auch das Grauen verblasste und hinterließ nichts als Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Er musste ihr seine Haltung begreiflich machen. „Ich versichere dir, niemandem wird ein Leid widerfahren durch das, was ich mit meiner Mutter mache.“
„Doch, dir. Du wirst damit leben müssen, was auch immer du tust, und wir wissen beide, dass du das nicht könntest.“
Darauf hatte er keine Antwort.
Humorlos lachte sie auf. „Die ganze Zeit über dachten wir, ich wäre es, die geheilt werden muss, aber in Wahrheit bist es du. Innerlich bist du tief verletzt, und diese Wunden schwären vor sich hin. Du bist verseucht mit deinem ganz eigenen Gift“, sagte sie, und dann verließ sie das Zimmer.
29. KAPITEL
Koldo hatte einen furchtbaren Fehler begangen. Nie hätte er es wagen dürfen, Nicola die Wahrheit über seine Mutter zu enthüllen. Er hätte die Frauen auf ewig voneinander fernhalten sollen. Hätte er das getan, hätte er genauso mit seinem Leben fortfahren können, wie es gewesen war.
Seine Mutter … ganz die Seine, wehrlos seinen Schikanen ausgeliefert, um seinen Rachedurst zu stillen.
Nicola … ganz die Seine, um seinen Hunger nach Zuneigung zu stillen.
Jetzt hatte er zwar seine Mutter, aber nicht Nicola. Sie wich seinem Blick aus. Sobald er einen Raum betrat, verließ sie ihn durch die andere Tür.
Wenn er auch das Problem, das er geschaffen hatte, nicht beheben konnte, so konnte er doch wenigstens alles niederbrennen, was daran erinnerte. Zwei Tage nach ihrem Streit verfrachtete er seine Mutter in seinen Unterschlupf in Südafrika und fackelte den Käfig in Panama ab. An den West India Quay konnte er sie nicht zurückbringen. Sirena – und jetzt auch Jamila – kannte den Ort.
Als er fertig war, kehrte er zurück in die Höhle über dem Wasserfall.
Cornelia hatte er an die Wand gekettet. Ihre Haare wuchsen bereits nach, und feine Stoppeln bedeckten ihre Kopfhaut. Wild fluchend, schrie sie auf ihn ein und versuchte, seine Flügel zu packen.
„Du hättest nicht mit der Frau reden sollen.“
„Oooh“, höhnte sie. „Ist sie zu Verstand gekommen und hat beschlossen, dass du ihr zu abstoßend bist?“
Sein Blut begann zu brodeln, doch er beamte sich weg, bevor er etwas tat, was er auf ewig bereuen würde. Wie Nicola prophezeit hatte.
Den Rest des Nachmittags verbrachte er mit Axel auf der Jagd nach seinem Vater. Sie entdeckten mehrere Spuren, doch jede einzelne erwies sich als Sackgasse, und die Nefas waren nirgends zu finden. So sehr, wie die Gesandten sie geschwächt hatten, mussten sie sich irgendwo verstecken, um ihre Wunden zu lecken. Aber wo?
Er wollte diesen Krieg endlich hinter sich haben.
Er wollte sich auf Nicola konzentrieren. Nicola, deren Herz ihn in Erstaunen versetzte. Ihr war das Schlimmste widerfahren, und trotzdem strahlte in ihr ein helles Licht. Ihm war das Schlimmste widerfahren, und er hatte sich von der Finsternis verzehren lassen.
Sie hatte recht. Er war verletzt. Aber er hatte keine Ahnung, was er tun sollte, wie er Heilung finden sollte.
Alles, was er wusste, war, dass er seine Beziehung zu dieser Frau wieder in Ordnung bringen musste.
„Konzentrier dich“, raunte Axel.
Blinzelnd kam Koldo zurück in die Gegenwart – und sah, dass er fast Charlotte und ihre Freundinnen gerammt hätte, die auf einer Wolke standen und … über Nicola redeten.
„… muss den Rotschopf unbedingt dazu kriegen, mir noch mal so ein Omelett zu machen. Unfassbar gut!“
„Ich weiß! Glaubst du, Koldo leiht sie mir für ein paar Jahre aus?“
In letzter Sekunde änderte er den Kurs und schoss über sie hinweg, ohne sie zu erwischen. Ein empörtes „Hey!“ folgte ihm.
Scharf fuhr ihm der Wind um den Leib, und er sah zu Axel hinüber. „Ich muss los. Wir sehen uns morgen und machen dann weiter.“
„Oh-oh. Den Blick kenne ich. Papa Bär geht ein bisschen um Gnade winseln,was?“ Voller
Weitere Kostenlose Bücher