Sintflut (German Edition)
irgendeine Spur. Die Diebe können uns ja nicht mehr verraten, wo sie die Figuren versteckt haben.«
»Das ist doch reine Zeitverschwendung«, entgegnet Akan. »Was soll denn das für eine Spur sein? Alles ist leer geräumt, das siehst du doch auch so.«
Während die beiden Männer in der Nähe des zweiten Zugangs stehen und ihren Ärger in einer sinnlosen Debatte abreagieren, leuchten Paula und ich die kunstvollen Ornamente an, mit denen die eiserne Tür verziert ist.
»Gib mir mal die Taschenlampe«, flüstere ich Paula zu.
»Was hast du vor?«, fragt sie ebenso leise.
»Ich will mal hinter die Tür schauen. Die Felsbrocken interessieren mich. Die haben vor der Tür einfach halt gemacht und die Kammer ist heil geblieben, das ist doch verrückt.«
Paula gibt mir ihre Lampe. Ich halte den Strahl auf den Türspalt und gehe auf die andere Seite. Dort liegt ein etwa pferdegroßer Felsbrocken, der mir jede Sicht versperrt. Ich will eine gute Stelle finden, an der ich hochklettern kann, und leuchte den Boden vor dem Stein ab. Da sehe ich ein kleines, mit Staub bedecktes Notizbuch liegen. Es sieht aus, als hätte es vor langer Zeit jemand achtlos dorthin geworfen, denn es steht wie ein umgedrehtes V aufgefächert dort. Ich nehme das Heft und lasse es vor Schreck gleich wieder fallen, weil eine Spinne darunter zum Vorschein kommt. Erneut greife ich danach, klopfe die Staubschicht ab und schiebe es ungeöffnet in meine Jackentasche, weil Paula nach mir ruft, die nun ebenfalls hinter die Tür getreten ist und die Taschenlampe zurück will. Ohne Zögern klettert sie auf den Felsbrocken, der uns die Sicht versperrt.
»Denk an dein Knie«, sage ich.
»Ach, das geht schon. Komm lieber mit rauf.«
Auch dort oben sieht man nichts als Steine, mal kleiner und mal größer als der, auf dem wir stehen. Paula leuchtet nach links und rechts. Direkt hinter der Tür, durch die wir gekommen sind, liegen vergleichsweise wenige Steine, doch gegenüber von uns türmen sie sich meterhoch.
Paula leuchtet nach oben. Von da, wo wir stehen, könnten wir etwa zehn Meter hochklettern. Während der Strahl der Taschenlampe langsam über die Steine wandert, sehe ich ein intaktes Stück Mauer. Genau gegenüber, vielleicht 20 Meter entfernt, geht sie in die Decke über.
»Paula!«
»Was ist?«
»Da ist eine Mauer. Wir sollten Akan und Leo rufen.«
»Ach lass’ nur. Die streiten bestimmt immer noch, was sie machen sollen. Derweil schauen wir uns das mal an.«
Wir klettern auf den nächsten größeren Stein und sehen das Mauerstück jetzt schon besser.
»Verrückt«, sagt Paula. »Die erste Mauer ist ja schon irgendwie überflüssig. Wozu eine Mauer, wenn man die ganze Höhle für sich hat?«
»Eine Mauer braucht man, um eine Tür einbauen zu können, die man abschließen kann«, schlage ich vor.
»Das habe ich zuerst auch gedacht, aber am Haupteingang war doch auch eine Tür. Und was für eine, nach allem, was Leo erzählt hat.«
Ohne weiter nachzudenken, machen wir uns auf den Weg. Die Steine liegen jetzt nicht mehr ganz so fest. Sie wackeln unter unseren Tritten und mehr als einmal denke ich, wir sollten lieber umkehren.
Dann ruft Akan nach Paula, aber sie antwortet nicht sofort.
»Los weiter«, meint sie stattdessen und klettert voran. Schließlich bleibt sie doch stehen und ruft Richtung Eisentür: »Wir sind hier oben.«
Jetzt sehe ich, wie der Strahl von Akans Taschenlampe hinter dem Türspalt aufleuchtet.
»Lass uns doch auf die beiden warten und denk an dein Knie«, beschwöre ich sie, aber Paula ist schon weitergeklettert. Als ich noch mal nach unten schaue, sehe ich Akan am Fuß der Steinlawine stehen.
Noch ein Stück, und wir sind oben. Die zweite Mauer verläuft parallel zur ersten, scheint etwa genauso lang zu sein und ist aus den gleichen Steinen gebaut. Sie endet da, wo die andere Mauer auch endet. Paula hat jetzt die Taschenlampe in der Hand und leuchtet an der zweiten Mauer entlang, von der wegen der Steine, die davor liegen, mal mehr und mal weniger zu sehen ist.
Paula entdeckt es zuerst. Sie packt mich am Arm und deutet mit dem Finger auf die Stelle. Am Ende der Mauer ist eine Öffnung, eine Art Fenster oder Lüftungsloch. Die Stelle ist keine zehn Meter von uns weg. Wir bewegen uns darauf zu, dabei machen sich immer mehr Steine selbstständig und rollen nach unten. Wir erreichen die Öffnung, aber dahinter nichts als Dunkelheit.
Dann passieren viele Dinge gleichzeitig: Der Stein, auf dem ich stehe, bewegt
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