Sintflut (German Edition)
Goldfiguren und die Suche nach dem zweiten Zugang.
Das Schlimmste aber war: Fleischmann hatte ihn gesehen. Er musste ihm also helfen, sonst würde er jedem erzählen, wem er hier in Pluton begegnet war. Er konnte mit ein paar Worten den Traum seines Lebens zunichte machen. Ein Versteck für ihn war also das Wichtigste, danach würden sie weitersehen. Flavios Haus war ideal. In der Nacht warteten sie am Waldrand, Fleischmann kam von oben herunter. Sie brachten ihn ins Haus, gaben ihm zu essen und zu trinken, schmiedeten Pläne. Als der Morgen graute, kam es zu einem Streit über den Schatz und wie damit zu verfahren sei. Fleischmann ging auf Flavio los, dieser zog eine Waffe, um ihn unter Kontrolle zu bringen.
Schon bevor sie Fleischmann holten, hatte Flavio einen alten Armeerevolver aus einem Versteck geholt und geladen. Der Künstler misstraute Fleischmann, war aber bereit gewesen, sich mit ihm verbünden, statt ihn sich selbst zu überlassen. Dann lag die Waffe plötzlich in seiner Hand, in beiden Händen, so, wie er es in seiner Militärzeit gelernt hatte. Breitbeinig baute Flavio sich vor Fleischmann auf und dieser war Schritt für Schritt zurückgewichen.
Seine alte Waffe lag noch auf dem Küchentisch. Fleischmann kam daran vorbei, sah sie und hatte sie auch schon in der Hand. Er zielte auf Flavio, ein Schuss löste sich. Flavio hielt sich mit einer Hand den Bauch, schaute ungläubig zu dem vor Schreck erstarrten Fleischmann, schoss zurück und traf den Deutschen mitten ins Herz. Beide Männer sanken tödlich getroffen zu Boden, auch für Flavio wäre jede Hilfe zu spät gekommen.
Zuerst war er entsetzt gewesen. Vier Tote. Das hatte er nicht gewollt, auch wenn er sich nicht dafür verantwortlich fühlte. Beinahe hätte er alles aufgegeben, doch dann hatte er sich besonnen. Was hier passiert war, brachte ihm nur Vorteile, auch wenn es noch so schlimm war. Das Ganze sah wie eine Schießerei unter zwei Halunken aus. Niemand würde darauf kommen, dass noch jemand beteiligt gewesen war; er hatte nur seine Spuren verwischen müssen.
Auch in der Schatzkammer hatte er sorgfältig alle Spuren beseitigt, bevor er sich zurückzog. Nun stand er bereits in dem schmalen Gang, der zur Schatzkammer führte. Er war auf dem Rückweg und fragte sich erneut, wo die Abzweigung hinführen mochte. Sie hatte ihm schon auf dem Hinweg Kopfzerbrechen bereitet. Für einen kurzen Moment war er versucht, den Rucksack abzusetzen und dem Weg zu folgen, entschied sich dann aber anders. Es war ein zu großes Risiko und er brachte es nicht fertig, den Schatz auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. Er hatte viel Glück gehabt, nun wollte er es nicht unnötig herausfordern. Vielleicht führte der Gang in eine Falle. Auf jeden Fall hätte er ihn Zeit gekostet. Zeit, die er nicht hatte, Geduld, die ihm fehlte. Vielleicht würde er zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal wieder kommen.
1
Paula und Akan tasten mit ihren Taschenlampen unsere neue Umgebung ab.
Der Strahl fällt als Erstes auf eine Mauer, in die eine, vielleicht vier Meter hohe, gusseiserne Tür eingelassen ist. Leo erklärt uns, dass dahinter ein Gang und viele Treppen hinauf zum ehemaligen Eingang führen. Die beiden Türflügel stehen halb offen und hängen schief in den Angeln. Dahinter werden Felsbrocken sichtbar, als Paula und Akan den Strahl der Lampe auf den Türspalt richten.
Die Kammer, in der wir stehen, ist etwa zehn Meter hoch, breit und tief, wie ein großer Würfel, nur nicht so gleichmäßig. Bis auf die Mauer mit der Tür ist die Kammer aus natürlichem Felsgestein. Längst verstorbene Steinmetze haben den unteren Teil der Felswände geglättet, verputzt und zahlreiche Wandnischen geschaffen, alle etwa so groß wie ein kleines Fernsehgerät.
Fast alle Wandnischen sind leer. Nur ein paar schlafende Hunde, ein umgeworfener Schemel und einige Nebenfiguren liegen herum. Die Hauptfiguren und ihre goldenen Doppelgänger sind weg, auch die der zurückgelassenen Stücke.
Wir stehen zuerst fassungslos schweigend da, dann reden wir alle durcheinander, fluchen, schimpfen und fragen uns, wie das passieren konnte. Wir sind zu spät gekommen. Ludovico oder Flavio und Fleischmann haben genommen, soviel sie tragen konnten.
Akan beruhigt sich als Erster und wird aktiv. Er packt das Wenige, das noch da ist, in seinen Rucksack und setzt ihn wieder auf. »Machen wir, dass wir hier wegkommen.«
»Lass uns lieber noch ein wenig umschauen«, meint Leo. »Vielleicht gibt es
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