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Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Schulze
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sich. Der Stein, auf dem Paula steht, bewegt sich auch. Dann setzen sich alle Steine langsam in Bewegung, direkt auf die andere Mauer zu.
    »Vorsicht«, schreit Paula nach unten. Ich sehe, wie Akan, der gerade zu uns hinauf klettern will, zurück zu der Eisentür springt und hinter ihr verschwindet.
    Bevor uns die nach unten rutschenden Felsbrocken mit in die Tiefe ziehen, schaffen wir es, uns auf den Rand der Öffnung zu ziehen. Unten krachen die Steine an die gusseiserne Tür. Alles ist in Bewegung. Wird die Tür das aushalten? Werden immer mehr Steine von oben nachdrängen und alles zuschütten? Wie schnell kann ein Herz klopfen, bevor es schlapp macht und einfach aufhört?
    Die Steine bleiben liegen und es rollen auch nicht viele nach. Mein Puls normalisiert sich, aber schwärzeste Dunkelheit umgibt uns, hinter uns scheint sie noch undurchdringlicher. Es riecht modrig aus dieser Richtung, die Luft wirkt kälter. Paula sitzt neben mir, ich spüre ihr Bein an meinem.
    »Ich bin okay und du?«, fragt sie leise.
    »Was war das denn?«
    »Wir haben da wohl was losgetreten«, versucht Paula zu scherzen. »Wenigstens habe ich noch die Taschenlampe, sie ist nur ausgegangen. Fast wäre sie mir vor Schreck aus der Hand gefallen.«
    Ich höre das Klicken des Schalters und die Lampe leuchtet wieder auf. Paula lenkt den Strahl in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Von der Eisentür ist nichts mehr zu sehen. Die Steine, auf denen wir hochgeklettert sind, liegen davor.
    Dann höre ich Akan nach Paula rufen. Diesmal antwortet Paula sofort. Ich verstehe nicht, was Akan sagt, und wahrscheinlich kann er Paula nicht verstehen. Aber jetzt weiß er, dass wir noch leben. Und wir wissen, dass die beiden einen Weg finden könnten, uns hier rauszuholen. Es gibt Hoffnung, trotzdem sitzen wir mutlos auf dem Rand der Öffnung. Hinter uns ist alles dunkel, vor uns liegt ein Meer aus Steinen im Schein der Taschenlampe. Es kommt mir vor, als sei das Licht schwächer geworden.
    »Mach lieber die Lampe aus«, sage ich leise und es wird wieder schwarz.
    »Meinst du, wir kommen hier wieder raus?«, fragt Paula matt.
    »Akan und Leo werden schon eine Möglichkeit finden.« ›Vielleicht klappt es nicht und wir müssen hier sterben‹, denke ich. Doch was bringt es, das zu sagen? An dem Tag, als Hassan Asmani mich mit seinem großen Bruder Orib bekannt machte und die beiden mit einer Ladung Koks in der Nacht verschwanden, ohne von mir und meinen Leuten festgesetzt zu werden, hätte es auch nichts gebracht, wenn ich mir sofort über meine Lage im Klaren gewesen wäre. Stattdessen hielt ich so lange es ging an dem Glauben fest, der eigentliche Hintermann, der richtig dicke Fisch, komme erst noch zu dem Treffpunkt, so war es mit Orib vereinbart. Noch lange, nachdem meine frustrierten Kollegen zuerst feixend und schließlich gähnend nach Hause gegangen waren, saß ich da und wartete auf ein Wunder, so wie jetzt auch, obwohl es dazu wahrhaftig keinen Anlass gibt.
    Unterdessen scheint die Dunkelheit noch zuzunehmen. Sie drückt auf den Kopf wie das Bleituch, das man anziehen muss, wenn man geröntgt wird. Schon als Kind konnte ich Dunkelheit kaum aushalten. Anderen Menschen fällt das Herz in die Hose, wenn sie auf einen Berg müssen und in Abgründe blicken, bei mir ist es die Dunkelheit, die mich verrückt macht.
    »Marlene, da gibt es etwas, das ich dir sagen muss. Schon lange sagen wollte, aber irgendwie habe ich nie den Mut gehabt.«
     
    »Du meinst, dass ich deine Lieblingsschwester bin? Das ist bei nur einer Schwester rein rechnerisch gar nicht anders möglich und …«
    »Nein, das meine ich nicht«, unterbricht sie mich und ihre Stimme zittert. »Es geht um Max. Er und ich hatten …«
    »… eine Affäre?«, frage ich schroff. »Das kann doch wohl nicht wahr sein.«
    »Doch, es ist wahr!« Paula schweigt eine Weile. Ich schweige auch. Mir ist sowieso alles egal. In dieser Dunkelheit ist nichts wirklich schlimm, was sich in der Welt da draußen zuträgt oder zugetragen hat.
    »Es war, bevor ihr euch kennengelernt habt. Wir hatten eine schöne Zeit, aber irgendwann merkte ich, dass er sich änderte. Er fand alles lächerlich: meine Arbeit, meine Pläne, mein Leben. Das habe ich nicht verkraftet und machte Schluss mit ihm. Als du ihn auf meinem Fest kennenlerntest, war es schon vorbei mit uns und an dem Abend war er gar nicht eingeladen. Er kam trotzdem, wollte sich mit mir versöhnen, aber für mich war es zu spät.«
    Und ich blödes Huhn

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