Sintflut (German Edition)
austrocknen. Ich habe Hunger und Durst, schlafe aber vor lauter Schwäche noch mal ein.
Ich erwache von einer Dufthalluzination. Es riecht nach Kaffee und ich bin im Paradies. Doch als ich die Augen aufmache, sehe ich nur Leo, der an meiner Schulter rüttelt. Und tatsächlich hat er einen Becher in der einen Hand, aus dem Dampf aufsteigt.
»Wasser oder Kaffee?«, fragt er grinsend und schüttelt eine Flasche Wasser in der anderen.
»Erst das eine, dann das andere«, antworte ich unbescheiden. Nie hätte ich gedacht, ich könnte einen Schluck Wasser einem Kaffee vorziehen. Ich nehme die Flasche und trinke sie fast leer, dann erst fällt mir Paula ein, die sicher auch durstig ist. Doch sie sitzt schon gegen einen Felsen gelehnt, vor ihr hockt Akan, der ihr das Knie bandagiert.
»Wo kommt ihr denn jetzt schon her?«
»Keine schnarcht so laut wie du, Marlene. Wir hatten Angst, dass die Schallwellen einen neuen Steinschlag auslösen und da haben wir uns mit dem Kaffee ganz furchtbar beeilt«, ruft Akan mir zu.
»Lass die Witze«, sagt Leo. »Er hat ganz schön um euch gezittert, ich natürlich auch. Und nachdem wir gestern einfach nichts mehr ausrichten konnten, sind wir heute sehr früh aufgebrochen, um euch zu helfen. Wir gingen den Pfad hinauf und hörten dich schnarchen. Es konnte für uns in dem Moment kein schöneres Geräusch geben. Denn da wussten wir, dass ihr von selbst herausgekommen seid.«
Dann erzählt Paula, was wir im Berg entdeckt haben.
»Eine zweite Kammer? Und alles noch da?«, fragt Leo ungläubig.
Nein, sagt er auf Paulas Frage, er habe nicht genau gewusst, was alles im Berg aufbewahrt worden sei. Es sei immer nur von Figuren die Rede gewesen, die später noch dazu gekommen sind, aber nicht konkret von einer zweiten Kammer und schon gar nicht von Objekten, die überhaupt nichts mit der Sintflut-Saga zu tun haben. Wahrscheinlich hätten die Dorfältesten, die den Schatz noch zu Gesicht bekamen, auch gar nicht so genau gewusst, was sie da überhaupt sehen. Das wären einfache Bauern und Handwerker gewesen, die von Geschichte keine Ahnung gehabt hätten, sondern lediglich wussten, dass sie einen Schatz horten und steinreich sind, auch wenn sie außer der Ehre nichts davon hatten.
»Im Moment«, sagt Paula, »kann ich mir einfach nicht erklären, wie das alles zusammenpasst. Irgendjemand hat die Höhle ganz bewusst geteilt, weil Sintflut und Weltarchiv zwei verschiedene Dinge sind, soviel ist klar. Vielleicht wurden gar nicht jedes Mal alle beiden Kammern geöffnet, wenn eine Aufnahmezeremonie in den Ältestenrat stattfand. Vielleicht gingen die Leute lieber in die erste Kammer, weil da etwas drin war, mit dem sie vertraut waren, das sie kannten.«
Akan und Leo wollen die zweite Kammer sofort sehen. Paula will mit dabei sein, kann aber nicht mehr. Die beiden Männer beschließen, noch zu warten und erst am nächsten Tag zu gehen. Sie helfen Paula die Felskante hinauf und den Weg hinunter. Als wir unten ankommen, steht das Auto schon da, aber Ehut ist diesmal nicht mitgekommen.
3
Drei Tage später in Akans Auto. Wir fahren nach Bukarest, Leo sitzt am Steuer, Akan hinten neben Paula. Das Weltarchiv liegt gut verpackt in einer Kiste unter dem Rücksitz. Das größte Problem, sagt Akan gerade, wären die Kontrollen am Flughafen Bukarest. Dann fängt er wieder mit seinen Leuten an, die ihm noch einen Gefallen schulden, aber Paula meint, das könnte erst recht Verdacht erregen.
Ich höre nur halb zu und frage mich nicht zum ersten Mal, seit ich Akan kenne: Warum schulden ihm alle möglichen Leute einen Gefallen? Wer oder was ist er? Und wie könnte er Paula am Flughafen besser durch die Kontrollen schleusen? Obwohl sie kiloweise Gold im Handgepäck haben wird? Nachrichtentechnik hat er studiert. In Deutschland, sagte er gestern zu mir, eine der wenigen Informationen, die ich ihm entlocken konnte. Als er Student war, gab es die DDR noch.
»Ich glaube«, sagt er gerade, »ich habe eine Idee, wie wir die Sachen aus Rumänien bringen. Ich kenne in Bukarest einen Mann …«
»… der dir noch einen Gefallen schuldet.«
»Richtig, Marlene, du kapierst es langsam. Dieser Mann hat zufällig auch ein Archiv, aber eins ganz anderer Art …«
Was er uns jetzt erzählt, ist die Geschichte eines Mannes aus Bukarest, der ein ausgefallenes Hobby hat. Dann entwickelt Akan einen genialen Plan. Mit einem Mal scheint es möglich, den Schatz mit einem unglaublich billigen Trick außer Landes zu
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