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Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Schulze
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Schwester gerade im Begriff ist, Millionenwerte über die Grenze zu schmuggeln, sind krumme Gedanken an das große Geld doch irgendwie naheliegend, oder? Dies alles wälze ich in meinem Kopf herum und schäme mich auch gleich wieder dafür.
    Wären all diese Gedanken nicht, würde ich mich in meinem Zimmer sehr wohl fühlen. Die Blumenmuster auf dem dunkelgrünen Teppich, die Blumenmuster auf der hellgrünen Tapete, die giftgrün gestrichenen Möbel, das jadegrün gekachelte Bad, die lindgrüne Sitzgarnitur und die grasgrüne Bettwäsche geben mir das Gefühl, im Inneren eines Pfefferminzbonbons zu sein, was nach all dem Staub und den Steinen genau das Richtige ist. Als ich mal ein paar Minuten einnicke, träume ich wieder den Traum von Max und den Lichtern im Berg, der mich schon im Hotel Doina so verstört hat. Wieder sehe ich Max in der Steilwand sitzen und sein Feuerzeug anzünden, wieder sehe ich all die anderen Feuerzeuge in der Dunkelheit leuchten. Diesmal ist es Winter und alle Wanderer erfrieren im Lauf der Nacht.
     
    Auch Paula ruht sich aus, ich kann sie von meinem Fenster aus beobachten. Sie sitzt auf der Terrasse im Schatten, döst vor sich hin und hat ihr Bein hochgelegt, so wie an dem Tag, als ich nach Pluton kam. Akan ist unterwegs und organisiert unsere Abreise. Wie Paula das Weltarchiv unter ihrem Bett auch nur einen Augenblick aus den Augen lassen kann, ist mir ein Rätsel.
    Am Abend kommt Akan müde zurück. Wir treffen uns alle in Paulas Zimmer. Es ist ganz in Gelbtönen gehalten, aber ansonsten so blumig wie meins. Akan erzählt, was er gemacht und in Erfahrung gebracht hat.
    »Zuerst klappte alles gut, aber dann nicht mehr.« Er steht auf und läuft nervös im Zimmer auf und ab. »Jemand hat Paula bei der Zollbehörde angeschwärzt«, fährt er verärgert fort. »Ihr Name steht auf der Fahndungsliste der Grenzpolizei ganz oben und ich konnte nichts dagegen machen. Sobald sie versucht, das Land zu verlassen, wird sie festgehalten und überprüft.«
    Wir brüten schweigend vor uns hin, bis Akan seinen Marsch durch das Zimmer einstellt. »Es gibt eine Möglichkeit. Wenn es klappt, dann ist das Gold ab morgen in Sicherheit, wenn nicht …« Sein Satz bleibt unvollendet, und er schaut mich fragend an, während er in seiner Brieftasche kramt und mir schließlich ein Flugticket reicht. Ich werfe einen Blick auf die Abflugzeit, dann sehe ich, dass das Ticket gar nicht auf mich ausgestellt ist.
    »Das ist Paulas Ticket.«
    »Behalte es«, sagt Akan. »Ihren Pass hast du ja noch, soviel ich weiß. Morgen könnte dein größter Auftritt sein, falls du bereit bist, noch einmal Paula Petrus zu spielen.«
    »Oh nein, nicht schon wieder …«
    »Hör doch wenigstens mal zu«, unterbricht mich Akan. »Mit deinem Pass könnte Paula ohne Probleme ausreisen. Falls sie kontrolliert wird, kann sie sich herausreden, so wie wir geplant haben. Wir machen alles genauso, wie besprochen, nur dass Paula eben als Marlene Adler reist. Und was dich angeht, so habe ich mich heute Nachmittag noch mal mit Leo getroffen, der mir was aus Pluton mitgebracht hat.«
    Ich stelle mir vor, wie ich am Zoll von zwei Beamten gepackt werde und ins Untersuchungsgefängnis komme. Wie ich in einer Zelle mit anderen zusammengepfercht bin. Wie sich Spannungen und Aggressionen aufbauen. Wie es nach einer Weile dort riecht. Wie es keine Bücher und keine Zeitungen gibt. Keinen Kaffee, keine Zigaretten, keinen Alkohol. Dabei kann ich ohne diese Dinge zwar leben, aber nicht gut. Es ist langweilig. Ich rauche ja nicht viel, aber die paar Zigaretten, die ich mir gönne, sind wichtig. Ich liebe meine Selbstgedrehten, brauche den Wein dazu, denn sonst schmecken sie nicht. Süchtig nennt man das ja jetzt, früher durfte man noch Genussmittel sagen. Diese Hysterie überall, diese verdammten Gesundheitsapostel, die einem jeden Spaß verderben und sich dabei auch noch als Retter der Menschheit aufspielen. Dabei tun sie genau das Gegenteil mit ihrer verklemmten Ethik. Die größte Gefahr für die Menschheit geht derzeit nicht von Weintrinkern aus, sondern von den Feinden des Alkohols. Das jedenfalls haben George Bush und Al Quaida gemeinsam.
    »Schau, was Leo mir gegeben hat«, sagt Akan in meine Gedanken hinein. Er stellt einen Karton auf den Tisch, öffnet ihn und wickelt zehn Figuren aus, die alle sorgfältig in Zeitungspapier verpackt sind. Der Denker, seine Frau, der Freund des Denkers, einige Fischmenschen und schlafende Hunde. Keramiken aus der

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