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Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Schulze
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Alltagslebens, Bauwerke, Stadtansichten, Kulturtechnik. Jemand hat die Idee gehabt, den Stand der Dinge festzuhalten. Durch die geringe Größe der Objekte konnte die kostbare Sammlung leichter an einen sicheren Ort gebracht werden, wenn Kriege oder Umstürze drohten. Auf diese Weise ist sie bis nach Pluton gelangt. Zu gern wüsste ich, wo sie vorher schon überall gewesen ist.
    Die meisten Objekte passen zu dritt oder zu viert in einen Schuhkarton. Jedes einzelne ist ein Vermögen wert. Allein die Edelsteine, mit denen die Teile verziert sind, sind unschätzbar. Es sind wahrscheinlich die kostbarsten, die damals aufzutreiben waren.
    Dann kommt ein Objekt, das nicht in einen Schuhkarton passen würde. Flach genug, aber zu großflächig. Es ist das Modell einer Stadt im Industal, sagt Paula und deutet auf einen Turm, an den ein großes Becken anschließt, eine Art Schwimmbad, wie Paula erklärt. Die umliegenden Häuser sind klein, einheitlich und eher nüchtern gehalten.
    »Es gab dort Architekten, Maurer, Perlenmacher, Färber, Schmiede, Händler und einen Seehafen im Süden, den wir Lohtal nennen«, weiß Paula. »Der Handel blühte, alles war perfekt organisiert. Jeder Ziegel, der verbaut wurde, hatte genau die gleiche Größe. Das mit dem Ziegel war ihnen so wichtig, dass sie ein Modell davon zu dieser Sammlung schickten. Schau dir das an.«
    Paula holt einen verstaubten goldenen Stein von der Größe eines Ziegels aus einer Nische, die größer ist als alle anderen. Der Stein stellt in diesem Umfeld etwas Besonderes dar: Er ist schlicht, ohne Zierrat und Schnörkel. Inmitten der überladenen Objekte wirkt er wie ein erster Vorgeschmack auf die Moderne. Wir entdecken noch etwas, das Paula für den Hafen von Byblos hält, von dem aus, Jahrtausende vor Christus, Schiffe in die damals bekannte Welt ausliefen. Vieles kann sie aber auch nicht zuordnen: merkwürdig geformte Türme, Palastmodelle, eine Brücke, seltsam gekleidete Figuren, Fabeltiere.
    Paula schüttelt ungläubig den Kopf: »Das ist entweder alles noch nicht ausgegraben oder unwiederbringlich zerstört. Aber eins verstehe ich nicht: Die Sintflut war vor rund 7000 Jahren. Die Geschichte der Katastrophe wurde weitererzählt und als Figurenspiel inszeniert. Das ist ja schon für sich genommen unglaublich. Aber jetzt kommt noch dieses Archiv dazu. Alles, was hier rumsteht, wurde Jahrtausende nach der Sintflut gebaut. Leo sagte, es wären im Lauf der Zeit immer neue Figuren dazu gekommen. Kannst du dir das vorstellen? Dass etwa der Pharao Cheops zu seinen Baumeistern sagte: ›He, wir haben da doch dieses Weltarchiv in ›Sowieso‹, mach mal drei schöne Modelle von unseren Pyramiden hier, damit wir die dahin schicken können.‹ Ich kann das einfach nicht glauben.«
    »Das muss wohl so gelaufen sein, so unwahrscheinlich das auch klingt.«
    »Oder die Bauwerke sind älter, als bisher angenommen.«
    »Du meinst also, die Generationen nach der Sintflut haben die Pyramiden und alles andere hier gebaut?«
    »Zumindest damit angefangen. Wir wären aber nicht die Ersten, die auf diese Idee kommen. Einige Forscher zum Beispiel glauben, die Pyramiden wären lange Zeit vor Pharao Cheops entstanden. Dann kam vielleicht ein Krieg oder eine Seuche, wer weiß. Das Volk, das die Pyramiden erbaut hatte, ging unter. Auch das Wissen um ihren Sinn ging verloren. Also wurde ein neuer erfunden. Man erklärt sie kurzerhand zu Grabkammern, stattete sie neu aus, bemalte sie mit Hieroglyphen. Es ist doch wirklich sehr merkwürdig: Die Pyramiden stehen am Anfang der ägyptischen Kultur. Das ist so, als ob die Brüder Wright zuerst Raumschiff Enterprise gebaut hätten, bevor sie dann ihr erstes Flugzeug zusammensetzten.«
    »Meinst du«, überlege ich weiter, »die Pyramiden sind deshalb so fugenlos gebaut, damit sie wasserdicht waren? Wenn die Modelle hier stimmen, dann hatten sie sogar eine Außenverkleidung. Also, wenn ich Flutopfer wäre und in einer Ebene wohne, wo der Nil jedes Jahr über die Ufer tritt, hätte ich Angst. Ich würde mir etwas bauen, in dem ich alles aufbewahren kann, was mir wichtig ist, falls es nochmal zu einer Sintflut kommt. Und obendrauf würde ich eine Spitze setzen, die aus dem Wasser ragt und in der Sonne funkelt. So könnte ich die Stelle vielleicht später wiederfinden.«
    »Dann wären«, spinnt Paula den Gedanken fort, »die Pyramiden eigentlich das bessere Weltarchiv gewesen.«
    »Vielleicht waren sie das auch, wer weiß. Soviel ich gehört habe,

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