Sintflut (German Edition)
sind sie noch längst nicht erforscht und verstanden«, sage ich und denke an den neu entdeckten Gang in der Cheops-Pyramide, der gerade von einem Roboter erforscht wird.
»Wir müssen hier raus«, meint Paula in diesem Moment, als ob es an mir läge und ich bisher getrödelt hätte.
»Also gut, lass uns gehen.«
Paula lacht über den Witz, nimmt mir die Fackel ab und zündet damit alle anderen an.
»He, was machst du da, wir müssen sparen. Wer weiß, wie lange wir hier noch warten müssen.«
»Wir machen sie gleich wieder aus«, sagt Paula aufgeregt, »aber ich will gerne mal alles zusammen sehen.«
Warm schimmert das goldene Archiv im Licht der Fackeln. Ab und zu funkelt ein Edelstein auf, je nachdem, wie das Licht darauf fällt oder wir uns bewegen. Bei dem Anblick vergesse ich alles andere, sogar dass wir hier gefangen sind und eventuell verhungern müssen.
Dann fällt mir etwas ein. Bevor wir die erste Kammer erreichten und wir noch in dem Gang waren, kamen wir an einer Abzweigung vorbei. Was wäre, wenn sie hierher führte? Widerstrebend löse ich mich von dem Anblick der Pracht, nehme eine Fackel und schaue mir den bodennahen Teil der Kammer genauer an. Nichts ist zu sehen. Keine Öffnung mit einer Holztür drin, keine Regalwand, die geräuschlos zur Seite fährt und einen dahinterliegenden Gang frei gibt.
»Wie merkwürdig«, stellt Paula fest und deutet auf die Wandnische mit dem goldenen Ziegelstein.
»Was ist merkwürdig? Der Stein oder die Nische, in der er liegt?«
Die Nische ist anders als die anderen. Sie ist hochkant, nicht quer, sie ist größer, aber nur halb so tief. Nur der goldene Ziegelstein liegt drin, dabei hätte er auch in einer kleineren Nische genug Platz gehabt. Paula klopft an die Rückwand. Es klingt, als würde man an eine Tür klopfen. Dann drückt sie dagegen, und die Rückwand, die nur ein ockerfarbenes Brett ist, kippt um. Dahinter ist es dunkel. Kalte, muffige Luft weht heraus. Paula nimmt eine Fackel und beleuchtet eine schmale, in den Fels gehauene Treppe, die nach oben führt und nach wenigen Metern im Dunkeln verschwindet.
»Und was machen wir mit den Sachen?«
»Die lassen wir hier. Ich möchte es erst den anderen zeigen und alles fotografieren, so wie es da steht. Da unsere drei Diebe tot sind, besteht ja wohl keine akute Gefahr mehr.«
Ich nehme eine Fackel, mache sie aus und packe sie in den Rucksack. Paula löscht die übrigen Fackeln.
»Meinst du, eine Ersatzfackel reicht?«, fragt sie.
»Wenn diese Treppe in den Gang mündet, den wir gekommen sind, ja. Wenn nicht, na gut, dann packe ich eben noch eine zweite ein.«
Paula steht vor den zurückbleibenden Objekten und reibt sich ihr Knie. »Ich kann kaum noch laufen«, klagt sie und humpelt langsam auf die Treppe in der Nische zu, klettert hinauf und verschwindet in dem Gang.
Die Treppe ist eng und steil. Paula muss öfter stehen bleiben und sich ausruhen. Schließlich sind wir oben und ein Gang wird sichtbar. Schon nach wenigen Metern mündet er in den anderen. Die erste Fackel ist jetzt fast niedergebrannt und ich zünde eine neue an.
Dann spüre ich einen Hauch frischer Luft. »Hast du es auch gemerkt?«, frage ich Paula, die kaum noch hinter mir herkommt. Schließlich ist der Gang zu Ende und ich sehe die Sterne, die über uns funkeln.
Paula stolpert ins Freie, fällt neben mir auf den steinigen Boden. Ich lege mich neben sie und weiß nicht, was ich am meisten bin: hungrig, durstig oder müde. Sie massiert ihr Knie, ich liege einfach nur da und schaue in den Sternenhimmel. Wir müssen hier bleiben, bis es hell wird, vorher können wir die schwierige Felsflanke nicht schaffen, mit Paulas Knie schon gar nicht. Zur Feier des Tages zünde ich die zweite Ersatzfackel an. Paula schwärmt noch eine Weile von dem goldenen Ziegelstein, der es ihr aus irgendeinem Grund besonders angetan hat, ich träume von einem Salamibrot mit Gurke und einem Schluck Rotwein. Auch eine Zigarette wäre gut, um das Abenteuer zu besiegeln. Doch so rollen wir uns nur ineinander, wärmen uns so gut es geht und schlafen irgendwann ein.
Es kommt mir nur wenig später vor, als ich aufwache, aber ich muss doch längere Zeit geschlafen haben, denn der Himmel wird schon hell. Erst hellgrau, dann hellblau. Ich friere. Paula schläft noch.
Ein wolkenloser Tag bricht an. Bald beginnt die Sonne ihr Werk und die Temperatur steigt. Anfangs wird uns das gefallen, weil es kalt ist, aber später werden wir schwitzen und noch stärker
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