Sintflut
anstarrte, als wollte sie in der Tiefe seiner Seele lesen.
Aber Kmicic kam nicht leicht in Verlegenheit. Er begann sie ebenso scharf zu betrachten, dann fragte er den neben ihm sitzenden Offizier:
»Was für eine kleine Meise sitzt denn dort?«
»Sprechen Sie nicht so leicht von denen, die Sie nicht kennen,« antwortete der Offizier laut. »Das ist keine Meise, sondern Panna Anna Vorzobohata-Krasienska. – Und auch Ihnen rate ich, sie fortan so zu nennen, wenn Sie für Ihre Unhöflichkeit nicht büßen wollen.«
»Sie wissen wohl nicht, daß die Meise ein sehr schönes Vögelchen ist,« lachte Kmicic. – »Aber ich weiß nun, daß Sie zweifelsohne bis über die Ohren in sie verliebt sind.«
»Fragen Sie doch lieber, wer hier nicht in sie verliebt ist,« antwortete der Offizier gekränkt. »Der Mundschenk selbst guckt sich nach ihr die Augen aus und sitzt ganz unruhig auf seinem Platze.«
»Das sehe ich auch ganz gut.«
»Und Ihnen wird es nicht besser gehen. Vierundzwanzig Stunden genügen schon dazu.«
»Nun, nun, mit mir wird sie nicht einmal in vierundzwanzig Monaten etwas erreichen können.«
»Warum denn das? Sind Sie aus Stahl oder sonst was?«
»Nein, – aber Sie verstehen das doch, wer kein Geld hat, der kann nicht beraubt werden!«
»Das ist freilich was anderes.«
Pan Andreas' Gesicht verfinsterte sich. Seine Liebe zu Alexandra und sein Schmerz um sie bestürmten seine Erinnerung, und er bemerkte es gar nicht, daß die schwarzen Äuglein ihn immer starrer ansahen, als ob sie ihn fragen wollten, woher kommst du und wohin willst du ziehen?«
Nach dem Diner nahm Pan Zamoyski ihn unter den Arm und begann mit ihm auf und ab zu gehen.
»Pan Babinicz,« sagte er, »Sie stammen, wie mir scheint, aus Litauen?«
»Jawohl, Pan Obermundschenk.«
»Sagen Sie, bitte, ist Ihnen die Familie Podbipienta bekannt?«
»Sie ist mir bekannt; aber sie existiert nicht mehr. Der letzte aus der Familie kam bei Zbaraz um. Er war einer der bekanntesten Ritter Litauens.«
»Deshalb eben frage ich Sie. Unter der Obhut meiner Schwester befindet sich eine Panna Borzobohata-Krasienska, – aus sehr guter Familie. Sie war Podbipientas Braut, Und nun hat ihr dieser Podbipienta sein ganzes Vermögen vermacht, das in einer Anzahl Güter besteht.«
»Sehr große Güter sogar. Die Podbipientas waren sehr reiche Leute.«
»Und wo liegen diese Güter?«
»In der Witebsker Wojewodschaft.«
»Die gerade vom Feinde besetzt ist.«
»Der Feind wird ja nicht immer dableiben. Es wäre am besten, die Panna zu Sapieha zu schicken. Wenn er sich für ihre Sache interessiert, so kann sie ganz beruhigt sein.«
»Selbstredend, wenn er sie sehen wird, so wird er eher für sie alles Erdenkliche tun.«
Pan Kmicic sah seinen Gesellschafter erstaunt an.
»Warum will er sie hier loswerden?« fragte er bei sich.
»Im Lager, – in einem Zelte kann sie sich selbstverständlich nicht aufhalten; aber sie könnte bei seinen Töchtern wohnen. Die Schwierigkeit besteht allein darin, wie bringt man sie zu Sapieha? – Übrigens, Sie wollen ja zum Pan Sapieha. Ich würde Ihnen einen Brief an den Wojewoden mitgeben, und Sie geben mir Ihr Ritterwort, sich um die Panna zu kümmern.«
»Aber ich reite ja mit Tataren.«
»Man sagte mir, die Tataren fürchten Sie mehr als das Feuer. – Nun, wollen Sie?«
»Hm, – warum sollte ich nicht, wenn es Ihnen lieb ist, – aber –«
»Sie denken, die Fürstin wird nicht einwilligen? Sie wird schon. Bei Gott! Sie wird einwilligen.«
Der Obermundschenk wandte sich um und ging ins Nebenzimmer. Kmicic sah ihm nach und dachte:
»Du klügelst hier was aus, Pan Obermundschenk, aber obgleich ich dein Ziel nicht kenne, so sehe ich doch eine Falle, denn du bist nicht besonders schlau.«
Am folgenden Tage, nach dem Frühstück, suchte der Obermundschenk seine Schwester in ihrem Zimmer auf. Er lobte Kmicic über alle Maßen und legte ihr die Notwendigkeit der Reise der Panna Borzobohata dar. Aber es gelang ihm nur nach großer Mühe, die Einwilligung der Fürstin zu erhalten. – –
14. Kapitel.
Nachdem Pan Zamorski die Fürstin verlassen hatte, ließ diese den Pan Kmicic zu sich bitten. Sie hatte mit ihm eine lange Unterredung, die alle ihre Bedenken völlig niederschlug. Pan Andreas' große Augen sahen sie so offen und wahrhaftig an, daß es unmöglich war, an seinen Worten zu zweifeln. Er gestand der Fürstin, daß er eine andere liebe, und sein Herz allein mit jener beschäftigt sei. Endlich gab er sein
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