Sintflut
Ehrenwort, daß er das Mädchen vor jeder Gefahr beschützen, ja, es sogar mit seinem Leben behüten werde. »Ach, junger Ritter,« rief Pan Zamoyski heiter, indem er das Zimmer der Schwester betrat, »Sie berauben Zamoscie seiner schönsten Zierde. Seien Sie vorsichtig! Seien Sie vorsichtig! Jemand könnte versuchen, sie Ihnen zu rauben!«
»Er soll es nur versuchen! Ich habe der Pani Fürstin mein Wort verpfändet, und ich halte immer mein Wort!«
»Ich scherze auch nur. – Aber Vorsicht schadet niemals.«
»Nur wollte ich Sie um eine geschlossene Equipage bitten.«
»Sogar zwei! – Sie reisen doch nicht gleich ab?«
»Doch. Ich habe Eile und habe mich schon zu lange hier aufgehalten.«
»So schicken Sie doch Ihre Tataren voraus; sagen wir nach Krasni-Staw. Ihnen gebe ich dann eine Eskorte mit. Wir wollen noch ein wenig zusammen zechen. Auch habe ich befohlen, aus meinem Gestüt einen passenden Gaul für Sie auszusuchen. Ein guter Gaul ist immer von Nutzen.«
Kmicic sah Zamoyski gerade in die Augen und willigte sogleich ein.
»Ich danke Ihnen, ich bleibe. Und die Tataren lasse ich sogleich aufbrechen.«
Er ging zu den Tataren und rief Akbah-Ulan zur Seite.
»Akbah-Ulan, ihr sollt gleich geradeswegs nach Krasni-Staw aufbrechen. Ich bleibe noch hier und komme einen Tag später nach. Jetzt aber gib acht auf das, was ich dir weiter sage: Ihr werdet nicht nach Krasni-Staw gehen, sondern ihr werdet euch im nächsten Walde verstecken, so daß euch niemand zu sehen kriegt. Sobald ihr auf der Fahrstraße einen Schuß fallen hört, eilt sofort zu mir; man will mir hier irgend eine Falle stellen.«
»Dein Wille geschehe,« antwortete Akbah-Ulan, indem er seine Hand auf die Stirn und Brust legte.
»Ich habe dich durchschaut, Pan Zamoyski!« sagte Kmicic zu sich. – »In Zamoscie fürchtest du die Schwester; nun willst du das Mädchen entfernen und irgendwo in der Nähe unterbringen. Und mich willst du zu deinem Werkzeuge machen! Warte nur! Bist auf den Unrichtigen gekommen. Wenn du nur nicht in die eigene Falle fällst!« –
Am nächsten Tage schenkte Pan Zamoyski dem Kmicic ein prächtiges Pferd. Pan Andreas nahm das Geschenk dankbar an; er gedachte im stillen seiner Tataren und konnte nur mühsam ein lautes Lachen zurückhalten. In seiner Tasche hatte er zwei Briefe an Sapieha, einen von der Fürstin, den anderen von Zamoyski. Es lockte ihn gewaltig, den letzteren aufzubrechen, aber er beschränkte sich darauf, ihn ans Licht zu halten: im Kuvert lag ein Bogen reinen Papiers! – So hatte er also die Absichten des Pan Obermundschenk richtig durchschaut. Das Mädchen, das seiner Fürsorge empfohlen wurde, und auch die Briefe sollten ihm unterwegs abgenommen werden.
Nach dem Diner verabschiedeten sich Panna Anna und ihre Begleiterin, die alte Panna Suwalska, von der Fürstin, und beide nahmen ihre Plätze in dem Wagen ein. Kmicic bestieg sein Pferd, und der Zug setzte sich in Bewegung. Zweihundert deutsche Reiter Zamoyskis umringten den Wagen.
Bald lagen die letzten Häuser, die hinter der Festungsmauer standen, hinter ihnen, und der Zug kam in einen dichten Kiefernwald hinein. Die Nacht senkte sich auf die Erde, eine klare, sternenhelle Nacht. Einem silbernen Bande gleich schlängelte sich der Weg durch den Wald. Ringsum herrschte tiefe Stille, die nur durch das Aufschlagen der Pferdehufe unterbrochen wurde.
»Meine Tataren müssen ganz in der Nähe sein,« sann Kmicic bei sich und begann zu horchen.
»Was ist das?« wandte er sich dann an den Offizier der Reiter.
»Jemand scheint hinter uns her zu setzen.«
Kaum hatte er geendet, als sich auf dem weißen Grunde des Weges ein schwarzer Punkt zeigte. Der Punkt wuchs mehr und mehr und verwandelte sich in einen Leibkosaken Zamoyskis.
»Pan Babinicz, ein Brief vom Pan Obermundschenk!« rief der Kosak außer Atem.
Kmicic näherte sich der Laterne des Wagens, brach das Siegel auf und begann zu lesen:
»Verehrter und teurer Pan Babinicz! Gleich nach der Abreise der Panna Borzobohata erfuhr ich, daß die Schweden mein Zamoscie zu überfallen gedenken. Sie können also nicht weiter reisen. Wir sehen die Gefahren voraus, denen Parma Borzobohata auf einer solchen Reise ausgesetzt wäre und wünschen deshalb, daß sie wieder zu uns zurückkehrt. Die Reiter, die Ihre Eskorte bilden, werden sie zurückgeleiten. Sie aber, angesichts Ihrer wichtigen Geschäfte, wollen wir nicht zurückhalten.«
Das Köpfchen Panna Annas guckte zum Wagenfenster heraus.
»Was gibt es
Weitere Kostenlose Bücher