Siras Toten-Zauber
Verwesung.
Einige von ihnen bestanden nur mehr aus staubigen Gebeinen, wobei Suko zumeist nur die haarlosen Schädel sah.
An anderen wiederum hingen noch Fleischfetzen und Hautreste, über und durch die sich Würmer bewegten, als wollten sie sich von den Überresten und dem toten Fleisch ernähren.
Die Luft konnte als solche kaum bezeichnet werden. Wäre Suko allein gewesen, so hätte er sich ein Taschentuch vor den Mund gehalten. So aber setzte er seinen Weg fort. Er wollte sich nicht vor dem anderen Mann blamieren.
Der Hüter drehte sich beim Gehen um. Er setzte seinen Schritte stets gemessen, und er nickte Suko zu, als er sagte: »Du brauchst die Lampe nicht mehr leuchten zu lassen. Wir haben Licht.«
Das Licht schimmerte vor ihnen. Es war ein Schein, der in diese Umgebung paßte. Sehr ruhig brennend, auch rötlich und mit einem gelben Zentrum versehen.
Suko konnte sich nicht vorstellen, daß es von einer Kerze stammte. Auch eine Fackel kam nicht in Frage.
Es war tatsächlich die gleiche Flüssigkeit wie auch oben in der Bibliothek.
Mit ihr war eine breite Schale gefüllt worden, die in der Mitte einer kleinen Höhle stand und ebenfalls so etwas wie ein Zentrum bildete, denn um sie herum standen die übrigen Wächter der Bibliothek. Sie schauten den beiden entgegen.
Anhand ihrer Kleidung war es Suko nicht möglich, sie zu unterscheiden. Er mußte sich schon auf die Gesichter konzentrieren, die das unterschiedliche Stadium des Alters sehr genau wiedergaben. Es waren junge und auch alte Gesichter. Manche von ihnen zeigten noch keine Falten, sie sahen glatt aus, wie eingeölt. Junge Menschen, denn auch die Hüter der ältesten Bibliothek der Welt waren leider nicht unsterblich.
Zahlreiche Augenpaare schauten Suko an, der sich im ersten Augenblick unwohl fühlte. Es hatte auch keinen Sinn, Erklärungen abzugeben, das übernahm sein Führer.
Er sprach mit leiser, eindringlicher Stimme auf seine Freunde ein. Suko konzentrierte sich auf deren Gesichter, die ihn sehr aufmerksam betrachteten. Danach nickten die Männer.
»Sie haben dich akzeptiert«, erklärte der Mann und verbeugte sich leicht.
»Ich heiße Frama Zehni.«
Auch Suko sagte seinen Namen. Er hatte den Eindruck, erst jetzt akzeptiert zu sein.
»Und wie geht es weiter?«
»Dieser Friedhof besitzt einen Ausgang. Wir werden dich dort hinbringen und versuchen, die Stätte wieder unter unsere Kontrolle zu bringen. So lautet unser Plan.«
»Mit dem ich nicht einverstanden bin.«
»Warum nicht?«
»Weil die Gefahr zu groß ist und ihr euch gegen Sira und ihre Helfer nicht wehren könnt. Wenn es Krieger gibt, davon gehe ich aus, haben sie auf diese Gelegenheit nur gewartet. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, den Weg allein zu gehen.«
Das mußte Frama Zehni erst einmal verdauen. Er schaute Suko schweigend an, bevor er sich umdrehte und seinen Freunden erklärte, welchen Plan der Fremde entwickelt hatte.
Auch jetzt bewiesen die Männer, welch eine Disziplin sie besaßen. Sie waren nicht alle damit einverstanden; besonders die älteren brachten Bedenken vor, aber sie setzten sich nicht durch, denn Frama Zehni drehte sich um, lächelte Suko zu und sagte: »Du kannst gehen. Ich werde dich bis zum Ausgang des Friedhofs begleiten.«
»Danke.«
Suko schaute noch in die Gesichter der übrigen Männer. Es lag keine Feindschaft darin, nur Hoffnung, daß er es schaffen würde, den schrecklichen Bann zu brechen.
Der Gang verengte sich weiter. Vor einer Leiter blieben sie stehen. Sie war aus Holz gebaut worden, zeigte keine Bruchstellen, so daß Suko ihr vertrauen konnte.
Noch einmal schauten sich die beiden Männer in die Augen. Suko gab mit seinem Blick ein Versprechen ab, es zu schaffen. Frama Zehni ging.
Und Suko stieg die Leiter hoch, der frischeren Luft entgegen, die ihm durch eine Öffnung entgegenwehte, obgleich diese durch dichtes Buschwerk verdeckt war.
Die nächste Begegnung mit Sira und ihrem geheimnisvollen Totenzauber würde anders verlaufen, das schwor er sich…
***
Die Gefahr lauerte in der Nähe, nur schafften wir es nicht, sie zu entdecken.
Wir hatten das gewaltige Gebäude einmal umrundet, allerdings keinen Eingang gefunden, der offen gewesen wäre. Dafür lagen einige kleine Anbauten vor uns. Sie zweigten von dem eigentlichen Hauptgebäude in verschiedene Richtungen hin ab.
»Du weißt nicht, was sie dort verborgen halten?« fragte ich Mandra. Er stand sehr dicht neben mir. Sein Gesicht glänzte in der Dunkelheit.
»Nein,
Weitere Kostenlose Bücher