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Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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nehmen. Doch Asias Lippen umspielte ein Lächeln, als sie aufs Meer hinausblickte. Sie erweckte nicht den Anschein, als würde sie sich unwohl fühlen.
    Will tunkte eine Pommes in ein kleines Töpfchen mit Remoulade. »Sag mal, wie bist du eigentlich im Bella’s gelandet?«
    Asia dachte einen kurzen Augenblick lang nach, bevor sie antwortete, ganz als wollte sie ihre Worte genau abwägen. »Ich hatte den Wunsch, an einem Ort zu arbeiten, wo ich viele Menschen kennenlernen kann«, sagte sie schließlich.
    »Dafür gäbe es doch unzählige Möglichkeiten«, meinte Will. »Du hättest genauso gut als Betreuerin in einem Feriencamp arbeiten können.«
    »Mein Interesse galt nicht solchen Menschen«, sagte Asia.
    »Sondern denen im Bella’s?«
    Asia grinste. »Du bist ganz schön neugierig.«
    »Normalerweise nicht«, entgegnete Will und widerstand dem Drang, sie zu fragen, weshalb sie ins Meer gewatet war. Jetzt war nicht der passende Zeitpunkt – noch nicht.
    »Ich unterhalte mich eben gerne mit Menschen«, sagte Asia. »Findest du das so seltsam?«
    Am liebsten hätte er ihr gesagt, dass sie nicht gerade den Eindruck erweckte, als unterhielte sie sich sonderlich gerne. Ihm gegenüber gab sie sich beispielsweise nicht besonders redefreudig. Aber so etwas konnte man doch niemandem ins Gesicht sagen, fand er, und deswegen schwieg er lieber.
    Zwei Mädchen, die Will flüchtig aus der Highschool kannte, nahmen unweit ihres Tisches Platz. Sie starrten Asia an und in ihren Blicken lag unverhohlene Verachtung. Will hatte schon des Öfteren gesehen, dass Zoe von anderen Mädchen solche Blicke erntete. »Die meisten Menschen haben einen scheußlichen Charakter«, stellte er fest.
    Asia kaute genüsslich auf einer frittierten Muschel herum und nickte. »Viele«, korrigierte sie ihn. »Nicht die meisten.«
    »Zu viele«, entgegnete Will. »Das kann ich doch Tag für Tag an unserem Verkaufsstand beobachten. Die Leute drängeln sich vor, motzen einander an, haben pausenlos ihre Handys am Ohr und interessieren sich kein bisschen dafür, wer dort hinter der Kasse steht. Da könnte ich echt ausflippen.«
    »Davon weiß ich ein Lied zu singen«, meinte Asia.
    »Davon weiß ich ein Lied zu singen«, wiederholte Will.
    Asias grüne Augen blickten ihn verständnislos an. Sie hatte die Belustigung auf seinem Gesicht bemerkt. »War das irgendwie eigenartig formuliert?«
    »Eigenartig formuliert?« Will musste lachen.
    »Was ist denn daran so komisch?«, wollte Asia wissen.
    »Ach, ich weiß auch nicht … manchmal klingt einiges von dem, was du sagst, irgendwie altmodisch.«
    Asia steckte sich noch eine Muschel in den Mund. »Wahrscheinlich sollte ich mehr fernsehen.«
    »Nein, nein, es ist cool. Mir gefällt’s.«
    »Es freut mich, dass es deine Zustimmung findet.«
    »Na bitte, schon wieder.«
    Asia strahlte ihn an und Wills Herz machte einen kleinen Sprung. »Erzähl mir etwas über dich«, sagte er.
    »Was möchtest du denn wissen?«
    Alles, wollte er sagen. Doch er traute sich nicht. Dieser Augenblick – die Meeresbrise auf seiner Haut, dieses außergewöhnliche, schöne Mädchen – kam ihm vor wie ein Traum und er wollte sich nicht zu weit vorwagen. Er wollte noch nicht wieder aufwachen. »Irgendwas.«
    Asia zuckte ratlos mit den Schultern.
    »Okay … erzähl mir etwas von deiner Familie.«
    Asia legte ihre Hände auf die Tischplatte. Ihre schlanken, weißen Finger streckten sich aus wie Tentakeln und lagen dann still da. Sie blickte Will an und mit einem Mal fühlte er sich, als sei er in einen tiefen Brunnen gestürzt. Er hatte jegliche Orientierung verloren, als würde er fallen … und fallen …
    »Ich hatte eine Schwester«, sagte Asia schließlich, den Blick auf die Tischplatte gesenkt. Sonst nichts.
    »Hattest?«
    »Ja.«
    Schweigen.
    »Wie ist sie denn gestorben?«
    Ihr Kopf schnellte hoch und ihre grünen Augen blickten Will an. »Durch ein Feuer.«
    Will zuckte zusammen. Obwohl ihm eigentlich danach war, sagte er nicht, wie leid es ihm tat. Es kam ihm kaum über die Lippen, doch er zwang sich, die Worte auszusprechen. »Ich hatte einen Bruder.«
    »Ja«, sagte Asia. »Ich weiß.«
    Ihm war, als hätte ihm jemand ein Messer ins Herz gerammt – ein kalter Schock, ein verwirrender Schmerz. »Woher?«
    »Zoe hat es mir erzählt.«
    »Aha.« Will blickte hinüber zur Straße. Jemand stand singend unter einem Baum auf dem Gehweg. Dieser Jemand hatte strähniges Haar, eine lange, schlaksige Figur, und das Lied, das er sang,

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