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Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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Worthingtons Einschätzung. »Eine solche Münze trägt man nicht einfach in der Geldbörse mit sich in der Gegend herum.«
    Die Galerie bedankt sich vielmals bei dem unbekannten Gönner und bittet ihn, sich zu erkennen zu geben …
     
    Will strich mit den Fingern über die Blockflöte. Er saß im Schneidersitz auf seinem unordentlichen Bett. Guernsey lag neben ihm und ihr warmes Kinn ruhte auf seinem Knie.
    Seit Will mit der Flöte in das Antiquitätengeschäft gegangen war, musste er ständig darüber nachdenken. Wieso hatte er Tim eigentlich nie auf der Flöte spielen hören? Und weshalb hatte sein Bruder überhaupt so eine antike Blockflöte besessen? Warum nicht eine ganz normale Flöte? Wo hatte er sie hergehabt? Gefunden? Oder hatte sie ihm jemand geschenkt?
    Draußen war es vollkommen ruhig, lediglich ein Grillenzirpen durchbrach hier und dort die Stille der Nacht.
    Er betrachtete die glatte Knochenoberfläche. Von welchem Tier sie wohl stammte? Die Flöte hatte die Länge seines Arms, somit musste es ein ziemlich großes Tier gewesen sein. Möglicherweise ein Hirsch. Oder ein Schaf.
    Will versuchte sich an die Melodie des Liedes zu erinnern, das Kirk vorhin gesungen hatte, doch er gab rasch auf. In punkto Musikalität war Tim seinem Bruder meilenweit voraus gewesen. Wegen Zoe, die eine wunderschöne Singstimme besaß, und Tim mit seinem Gitarrenspiel und der perfekten Stimmfärbung hatte Will beinahe gehofft, dass allein beim Zuhören etwas Talent auf ihn übergehen würde. Dem war jedoch nicht so. Will hatte ihnen gerne zugehört, wenn sie gemeinsam sangen. Manchmal begleitete Tim sie dazu auf der Gitarre, ein andermal Johnny. Zoe sang immer die Melodiestimme und Tim arbeitete eine tiefere zweite Stimme dazu heraus. Will hatte immer schon jegliches musikalisches Gespür gefehlt, und zwar nicht erst, seit er bei dem Unfall auf dem rechten Ohr taub geworden war. Dennoch hatte Tims und Zoes Musik in seinen Ohren einfach zauberhaft geklungen. Es war fast mehr als nur ein Klang. Wie ein Kunstwerk, das Tim und Zoe gemeinsam schufen. Andererseits ging mit dem Genuss auch Schmerz einher. Denn obgleich Tim sein Bruder war, nicht Zoes, und Zoe mit ihm befreundet war und nicht mit Tim, fühlte sich Will doch jedes Mal schmerzlich ausgeschlossen, wenn die beiden gemeinsam sangen. Ihm war klar, dass sie ihn nicht bewusst ignorierten. Vielmehr waren sie so sehr in ihre Musik versunken, dass Will schlichtweg aufhörte, für sie zu existieren.
    Insgeheim war Will froh darüber, dass Zoe sich weigerte, in der Öffentlichkeit zu singen. Er war erleichtert, dass sie nicht vorhatte, bei Tims Band einzusteigen. Will wollte einfach nicht, dass alle anderen die beiden zusammen singen hörten. Weil er genau wusste, was die Leute dann denken würden. Zoes wilde Schönheit und Tims markante Filmstarzüge – jeder würde sie für ein Paar halten. Und auch wenn sie es nicht waren, würde Will sich fühlen wie ein Kind, das seine Eltern im Familienauto davonfahren sieht, während sie ihm zum Abschied noch nicht einmal winken.
    Will führte die Flöte an die Lippen und spielte einen Ton. Er kam zwar etwas unsauber heraus, doch Will war überrascht, wie lieblich er klang.
    »Ja, ja, ich weiß selbst, dass ich kein Vollblutmusiker bin«, meinte Will auf Guernseys tiefes Grummeln hin. Er streichelte ihre samtweichen Ohren, schwarz mit weißen Stellen – ein Zeichen ihres hohen Alters –, woraufhin sie ihn sachte mit der Nase anstupste.
    Will platzierte seine Finger auf den Löchern und spielte noch einen Ton. Früher, im Musikunterricht in der zweiten Klasse hatte er auch einmal Blockflöte gespielt, doch die billigen Plastikflöten hatten selbst in den begabtesten Händen dünn geklungen. Im Gegensatz dazu vermochten sogar seine unbeholfenen Finger dieser Flöte volle, glockenklare Töne zu entlocken. Da er allerdings keine Ahnung von Musik hatte, wollte ihm keine richtige Melodie einfallen. Mary had a little lamb vielleicht, jedoch fand er das Lied eines solchen Instruments nicht würdig genug. Es musste etwas Melancholisches, Wehmütiges sein.
    Wie als Antwort erklang von draußen ein einzelner Ton. Guernsey sprang auf und bellte wie verrückt und das Bett unter ihren Pfoten quietschte und knarzte.
    »Hey, hey, das war doch nur das Echo«, sagte Will und klopfte der Hündin beruhigend auf den Rücken. Daraufhin knurrte sie noch einmal drohend und sprang dann vom Bett herunter. »Willst du raus? Sicher?«, fragte Will, als Guernsey

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