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Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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Licht glühte erst blau, als seien sie extrem heiß, dann grün. Und urplötzlich glichen sie einem Augenpaar.
    Als ihr Glühen immer stärker wurde, konnte Zoe ein Gesicht ausmachen, bleich und ebenmäßig. Und dann – Haare, die sich wie Seegras um das Gesicht rankten.
    Die Wasseroberfläche bewegte sich, als das Gesicht ihr etwas zuflüsterte. Die Musik liebkoste sie wie ein zarter Hauch. Sie beugte sich weiter über das Wasser – und wurde von einer Hand an den Haaren gepackt.
    Ihr schriller Schrei wurde erstickt, als sie unter die Wasseroberfläche gezerrt wurde. Sie strampelte und schlug um sich, doch es war vergebens. Was auch immer da mit ihr kämpfte, es war stärker. Nun sah sie, dass die Flammen seine Augen waren, und sie brannten mit gefährlicher Glut, von blindem Hass erfüllt. Starke Kiefer mit messerscharfen, spitzen Zähnen schnappten nach ihr. »Zoe!«, knurrte das Wesen drohend und das sanfte Läuten der Silberglöckchen klang mit einem Mal hart und durchdringend und ließ in ihrem Kopf sämtliche Alarmglocken losschrillen.
    Sie spuckte und würgte; sie bekam keine Luft. Sie schlug verzweifelt nach dem Wesen, doch es hielt sie mit eisernem Griff fest und ließ sie nicht los …
    »Zoe!«
    Mit allerletzter Kraft trat sie nach dem Wesen, welches unerwartet seinen Griff lockerte. Es rief mit einer ihr bekannten Stimme nach ihr, und als Zoe aufsah, stellte sie fest, dass um sie her stockfinstere Nacht war.
    Kleine Steinchen bohrten sich in ihre Hände und ihre aufgeschürften Knie pochten schmerzhaft. Sie hockte auf allen vieren am Rande des Felsvorsprungs. Ihr blieb kaum Zeit, zu realisieren, dass sie wieder einmal geschlafwandelt war, als sich vor ihr etwas bewegte.
    »Zoe!«, schrie eine Stimme. Wills Stimme.
    Das Etwas bewegte sich wieder und langsam erkannte Zoe, dass es seine Hand war. Mit weißen Knöcheln versuchte sie, im Erdboden Halt zu finden. Er war über die Kliffkante gefallen und klammerte sich in Todesangst an den Felsen.
    Er muss versucht haben, mich zu retten, dachte Zoe. Ich bin wieder geschlafwandelt. »Will!« Zoe kroch auf allen vieren ein Stück vorwärts, doch sie war nicht schnell genug. Seine Hand rutschte ab und war dann verschwunden. »Will!«
    Zoe kroch bis zum Rand und blickte in die Tiefe. Doch in der schwarzen Nacht konnte sie nichts erkennen. Außer den Wellen, die sich an den unteren Felsen brachen, war kein Geräusch zu hören.
     
    Als Will wieder zu sich kam, durchzuckte ein stechender Schmerz seinen Nacken.
    »Au.«
    »Psst.«
    Ein Finger an den Lippen. Grüne Augen. Langes schwarzes Haar, das nach vorne fiel und seine Brust streifte.
    »Wo –?« Will blickte sich um. Er setzte sich unter größter Anstrengung auf und hörte das sanfte Schlagen der Wellen. Seine Gliedmaßen funktionierten offenbar bestens, was man von seinem Verstand allerdings nicht gerade behaupten konnte. Worauf liege ich hier eigentlich?, fragte sich Will und strich mit der Hand über den weichen Grund. Fels war es wider Erwarten nicht. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es Sand war.
    »Du bist gefallen«, klärte ihn Asia auf.
    Will blickte sie an und fragte sich verwundert, was sie eigentlich hier zu suchen hatte. »Ach ja.« Jetzt fiel es ihm wieder ein.
    Er konnte sich an alles erinnern.
    Von seinem Fenster im zweiten Stock aus hatte er eine weiße Gestalt durch die Nacht huschen sehen. Obwohl es stockdunkel war, war sie deutlich zu sehen gewesen, als ob sie selbst von innen heraus leuchten würde. Wie ein Geist hatte sich Zoe zwischen den Bäumen hindurch auf die Klippe zubewegt.
    »Verdammt!«, hatte Will ausgerufen und blitzschnell seine Jeans übergestreift. Er war in seine Turnschuhe geschlüpft und mit offenen Schnürsenkeln durch den Hintereingang aus dem Haus gerast. Die Verandatür war hinter ihm zugefallen, als er in Richtung der Weiden davongeeilt war.
    Zuerst konnte er sie nicht sehen. Doch dann – dort zwischen den Baumstümpfen – leuchtete es weiß auf. »Zoe!«, rief er und tauchte in die Dunkelheit ein, als er hinter ihr her rannte.
    Dies war schon das dritte Mal, dass er mitbekam, wie sie schlafwandelte. Das erste Mal war es passiert, als sie beide sieben Jahre alt waren. Will hatte sie auf der Veranda erspäht und sich aus dem Haus geschlichen. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie hatte sogar mit ihm gesprochen. Doch ihre Stimme hatte seltsam fremd geklungen und er hatte kein Wort verstanden. Als er einen Augenblick später begriff, dass sie gar

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